Es ist eine seltsame Angewohnheit, die wir alle kennen: das ständige Vergleichen mit anderen, und zwar oft mit jenen, die scheinbar schwächer oder schlechter abschneiden. Schon als Kind fängt es an – vielleicht erinnerst du dich noch daran, wie du deine Noten mit denen des Klassenkameraden verglichen hast, der noch schlechter war? „Na ja, ich habe wenigstens eine Drei, aber der hat eine Fünf!“, war dann oft der Gedanke, der uns irgendwie beruhigte. Seltsam, oder? Warum schauen wir nicht eher zu denen, die besser waren? Warum messen wir uns oft nach unten, statt nach oben?
Man könnte meinen, es sei einfach Faulheit. Es ist bequemer, sich mit Schwächeren zu vergleichen. Wer will schon ständig daran erinnert werden, dass er selbst nicht das Beste gegeben hat, wenn es viel einfacher ist, jemanden zu finden, der noch weniger erreicht hat? Aber die Wahrheit geht tiefer. Diese Art des Vergleichens ist tief in uns verwurzelt und hat viele Gesichter.
Die Psychologie hat dazu einiges zu sagen. Der soziale Vergleich ist ein Phänomen, das uns alle betrifft, ob wir wollen oder nicht. Es ist ein Weg, uns selbst zu beurteilen. Wenn wir uns vergleichen, versuchen wir herauszufinden, wo wir stehen. Evolutionär betrachtet hat das durchaus seinen Sinn. Wer in einer Gruppe lebte, musste ständig seine Position und seinen Wert innerhalb dieser Gemeinschaft überprüfen. War ich stark genug, um nicht vom stärksten Jäger abgehängt zu werden? War ich schnell genug, um das Mammut nicht zu verpassen? Damals diente der Vergleich dem Überleben. Doch heute? Heute geht es nicht mehr um Mammuts oder Jäger, sondern um Noten, Karriere, Likes auf Social Media oder den neuesten Sneaker-Trend. Es scheint, als hätte sich wenig verändert, obwohl sich alles geändert hat.
Und es ist so leicht, sich besser zu fühlen, wenn man sich mit denen vergleicht, die scheinbar weniger haben oder können. „Ich habe ja wenigstens ein Auto, mein Nachbar muss noch Bus fahren.“ Aber was ist mit dem Nachbarn, der sich ein schönes Haus leisten konnte? Den sehen wir oft nicht – zumindest nicht freiwillig. Sich mit den Besseren zu messen, bedeutet oft, sich unangenehme Wahrheiten einzugestehen: dass wir nicht immer die Besten sind. Aber genau hier liegt der Knackpunkt. Während der Vergleich mit Schwächeren uns kurzfristig besser fühlen lässt, bringt uns der Vergleich mit den Stärkeren langfristig weiter. Es ist nur eben unbequem.
Interessant ist, dass Kinder dieses Muster von früh an lernen. Schon im Kindergarten wird geschaut: Wer kann am höchsten klettern? Wer kann schon bis zehn zählen? Und immer gibt es jemanden, der schwächer ist, und jemanden, der besser ist. Es scheint, als würde uns das Gesellschaftsspiel des Vergleichens schon von Anfang an begleiten. Aber ist es wirklich nur abgeguckt? Oder steckt mehr dahinter?
Wissenschaftler wie der Sozialpsychologe Leon Festinger haben dazu spannende Theorien entwickelt. Er erklärte, dass wir uns nicht nur aus Neugierde vergleichen, sondern um unser Selbstwertgefühl zu regulieren. Der Vergleich mit Schwächeren stärkt unser Ego, der mit Stärkeren kann es hingegen ins Wanken bringen. Ein kleiner psychologischer Trick, um sich selbst besser zu fühlen, ist also oft der Griff nach den Schwächeren. Doch langfristig nützt uns das wenig. Echte Entwicklung entsteht nur durch den Blick nach oben – auch wenn das manchmal weh tut.
Die gute Nachricht ist: Dieser Mechanismus ist veränderbar. Jeder von uns kann bewusst entscheiden, wie er sich vergleichen möchte. Manchmal hilft es, sich klarzumachen, dass die Menschen, mit denen wir uns vergleichen, eine ganz andere Ausgangssituation haben. Dein Kollege, der die Beförderung bekommen hat, hat vielleicht ganz andere Erfahrungen und Voraussetzungen. Dein Nachbar mit dem Haus vielleicht eine Erbschaft. Jeder hat seine eigene Geschichte, und es bringt nichts, sich nur oberflächlich zu messen.
Und jetzt Hand aufs Herz: Wann hast du das letzte Mal bewusst jemanden bewundert, der etwas wirklich gut kann, und es nicht als Bedrohung empfunden? Vielleicht ist das der Schlüssel. Denn am Ende des Tages geht es nicht darum, besser als jemand anderes zu sein, sondern besser als das Selbst von gestern.
Schauen wir doch öfter nach oben – auch wenn das manchmal schwerfällt. Wer weiß, vielleicht entdecken wir dann, dass es nicht so sehr darum geht, wo wir im Vergleich zu anderen stehen, sondern wo wir wirklich hinwollen.