Selbstwirksamkeit – was wie ein Fremdwort klingt, könnte ein Schlüssel zu einem erfüllteren und gesünderen Leben sein. Es geht um den Glauben daran, dass wir selbst in der Lage sind, Dinge zu bewältigen und Herausforderungen zu meistern. Ein Glaube, der stärker ist als viele äußere Umstände. Dieser innere Motor kann erstaunliche Dinge bewirken und führt dazu, dass wir uns verändern, oft ohne dass wir es bewusst bemerken. Und für manche Jugendlichen, die an Diabetes Typ I leiden, kann dieser Glaube sogar den Blutzucker beeinflussen.

Stellen wir uns einen typischen Jugendlichen vor. Er steht morgens auf, tastet im Halbschlaf nach dem Handy, kontrolliert schnell den Blutzucker und erinnert sich an all die Regeln, die für ihn gelten. Kein Frühstück ohne Messung, kein Mittag ohne Berechnung der Insulineinheiten, kein Sport ohne Planung. Es ist ein Leben, das Disziplin verlangt, vielleicht sogar Verzicht, und es erfordert einen unerschütterlichen Glauben daran, dass all diese kleinen Anstrengungen sich lohnen. Hier kommt die Selbstwirksamkeit ins Spiel. Denn Jugendliche, die überzeugt sind, dass sie selbst die Kontrolle über ihren Körper und die Krankheit haben, bewältigen ihren Alltag oft besser als jene, die sich ausgeliefert fühlen.

Aber woher kommt dieser Glaube? Einige Jugendliche lernen ihn von ihren Eltern oder Ärzten, andere entwickeln ihn durch eigene Erfahrungen und Erfolgserlebnisse. Es ist wie beim Fahrradfahren: Anfangs hält noch jemand die Hand, vielleicht ein Elternteil, der die Balance mit einem prüfenden Blick sichert. Doch irgendwann ist da dieser Moment, wo man merkt, dass man es auch ohne diese Hilfe schafft. Der Lenker fest in den Händen, die Pedale bewegen sich, und plötzlich wird aus Unsicherheit ein Stück Selbstbewusstsein.

Die Herausforderung für Jugendliche mit Diabetes ist gewaltig. Sie stehen vor der Aufgabe, das alltägliche Leben mit Freunden, Schule und Freizeit mit den Anforderungen ihrer Krankheit in Einklang zu bringen. Da ist das Gefühl, dazugehören zu wollen, wie alle anderen zu sein – und gleichzeitig diese besondere Verantwortung, die manchmal schwer auf den Schultern lastet. Manchmal passiert es, dass sie rebellieren, einfach mal alles ignorieren und sich wie alle anderen fühlen wollen. Doch die Selbstwirksamkeit ist ein stiller Begleiter, der sie motiviert, wieder in die Spur zu kommen.

Eine Studie zeigt, dass genau dieser Glaube an sich selbst eine Art Lebensqualität in den Alltag von jungen Diabetespatienten bringen kann. Denn wer glaubt, dass er die Kontrolle hat, entwickelt oft eine gesunde Routine. Ein Jugendlicher, der überzeugt ist, dass er selbst sein Leben managen kann, erinnert sich besser daran, regelmäßig seinen Blutzucker zu messen, das richtige Essen zu wählen und auf seinen Körper zu achten. Dieser innere Wille beeinflusst sein Handeln, und mit der Zeit wird daraus eine Art Automatismus – wie das Einüben eines Musikinstruments. Anfangs mühsam und voller Fehler, später eine Melodie, die fließt und die man fast nebenbei spielt.

Doch nicht jeder Jugendliche erreicht diesen Punkt von alleine. Die Studie, auf die sich Wissenschaftler am Universitätskrankenhaus Reina Sofia stützen, legt nahe, dass vor allem die Eltern eine Schlüsselrolle spielen, besonders bei jüngeren Kindern. In den frühen Jahren sind es oft die Eltern, die das Diabetesmanagement übernehmen und für ihr Kind den Weg ebnen. Doch die Eltern müssen ihre Kinder auch langsam loslassen und ihnen die Chance geben, selbst diese Verantwortung zu spüren. Ein Balanceakt, wie bei einem Tanz, der mal mehr Führung erfordert und dann wieder Freiraum lässt, damit der Jugendliche spürt: Ich kann das.

Die Forscher arbeiten nun daran, psychologische Programme zu entwickeln, die Jugendliche darin unterstützen, diesen Glauben an sich selbst zu stärken. Dabei geht es nicht nur um Anleitungen zur Therapietreue oder Ernährung, sondern darum, den Jugendlichen eine Hand zu reichen, die sie dabei unterstützt, in ihrer eigenen Welt zu bestehen. Sie sollen lernen, dass sie auch in schwierigen Momenten an sich glauben können – ein Wissen, das nicht nur ihre Krankheit betrifft, sondern sie auch in vielen anderen Lebensbereichen unterstützt. Es ist, als würden sie einen mentalen Rucksack packen, der für alle Eventualitäten gerüstet ist.

Dieser Weg zur Selbstwirksamkeit ist wie eine Reise, bei der jeder Schritt zählt und an der nicht nur die Jugendlichen selbst beteiligt sind, sondern auch ihr Umfeld. Ein mutiger Weg, der für viele Jugendliche ein Wendepunkt sein kann – der Moment, in dem sie erkennen, dass sie selbst das Steuer in der Hand haben und ihr Leben gestalten können, trotz aller Hürden. Es ist die Geschichte eines inneren Helden, der in jedem von uns steckt und darauf wartet, entdeckt zu werden.

Auch für uns Erwachsene kann der Glaube an unsere Selbstwirksamkeit ein Anker sein. Egal in welchem Lebensabschnitt wir stehen oder welche Herausforderungen wir bewältigen müssen – der innere Glaube an die eigene Kraft ist entscheidend. Er hilft uns, immer wieder aufzustehen, aus unseren Erfahrungen zu lernen und das Beste aus uns selbst herauszuholen. Sei es im Beruf, in Beziehungen oder im Umgang mit unserer Gesundheit – wer daran glaubt, die eigenen Ziele erreichen zu können, wird immer Wege finden, auch die größten Hindernisse zu überwinden.

Es ist nie zu spät, Selbstwirksamkeit zu erlernen oder zu stärken. Selbstwirksamkeit ist ein dynamisches Konzept, das sich in jedem Lebensabschnitt entwickeln und vertiefen kann – egal, ob wir gerade in unsere Karriere starten, eine schwierige Lebensphase durchlaufen oder neue Ziele verfolgen. Unser Gehirn ist erstaunlich anpassungsfähig, und die Kraft unserer Gedanken und Überzeugungen kann selbst im Erwachsenenalter noch enormen Einfluss auf unser Verhalten und unsere Entscheidungen haben.

Wie können wir Selbstwirksamkeit erlernen?

1. Ziele setzen und in kleine Schritte aufteilen:
Große Veränderungen können überwältigend sein, aber kleine Schritte machen uns bewusst, dass wir Fortschritte machen und Ziele erreichen können. Das setzt positive Energie frei und verstärkt den Glauben an uns selbst.


2. Eigene Erfolge bewusst wahrnehmen:
Wir neigen oft dazu, Erfolge als „selbstverständlich“ zu sehen und uns eher auf das zu konzentrieren, was noch nicht erreicht ist. Ein Erfolgsjournal oder das bewusste Wahrnehmen unserer täglichen Fortschritte hilft uns, unseren eigenen Einfluss anzuerkennen und zu schätzen.


3. Positive Selbstgespräche und innerer Dialog:
Selbstwirksamkeit beginnt oft mit unserem inneren Dialog. Wenn wir lernen, uns selbst zu ermutigen und uns nicht durch negative Gedanken blockieren lassen, kann das unseren Glauben an uns selbst enorm stärken. Positive Selbstgespräche wie „Ich schaffe das!“ oder „Ich kann diese Herausforderung meistern“ haben eine nachweislich stärkende Wirkung.


4. Aus Fehlern lernen statt sich entmutigen lassen:
Rückschläge gehören zum Leben, und niemand erreicht jedes Ziel ohne Umwege. Sich Fehler als wertvolle Lernmomente zu nehmen, baut eine starke Basis für Selbstwirksamkeit auf. Wer das akzeptiert, wird resilienter und lernt, sich immer wieder aufzuraffen.


5. Soziale Unterstützung suchen:
Ob durch Freunde, Familie oder Kollegen – der Austausch mit Menschen, die an uns glauben, gibt uns Mut und Bestätigung. Wer Unterstützung bekommt und merkt, dass andere an das eigene Potenzial glauben, entwickelt oft mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.


6. Neue Herausforderungen annehmen:
Jedes Mal, wenn wir uns auf neue Aufgaben einlassen, auch wenn sie zunächst beängstigend wirken, bauen wir unsere Selbstwirksamkeit weiter auf. Diese Herausforderungen sind eine Gelegenheit, aus unserer Komfortzone herauszutreten und uns selbst zu beweisen, dass wir mehr schaffen können, als wir denken.



Selbstwirksamkeit ist keine Fähigkeit, die „nur“ für die Jugend reserviert ist. Sie ist ein lebenslanger Prozess, eine Art inneres Wachstum, das wir fördern können, egal in welchem Alter. Indem wir den Glauben an unsere Fähigkeiten stärken, erlangen wir mehr Kontrolle über unser Leben und erleben ein tieferes Gefühl der Zufriedenheit und Erfüllung.

Von Selma Cakir

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