Da ist eine Person, die dich um einen Gefallen bittet. Eine Kleinigkeit, nichts Großes. Vielleicht ein Einkauf, etwas, was du locker erledigen könntest. Die Person gibt dir sogar das Geld dafür, weil sie es selbst nicht besorgen kann. Und trotzdem – du willst es nicht tun. Du suchst nach Ausreden, und das Schlimme ist: Jeder durchschaut diese Ausreden und auch du weißt es. Aber du weigerst dich einfach nur…

Nein, natürlich bist du nicht so jemand, der ständig Ausreden sucht. Normalerweise würdest du den Gefallen ja auch tun. Aber du kennst sicher solche Menschen in deinem Umfeld. Menschen, die scheinbar bei der kleinsten Bitte anfangen, sich zu winden. Man fragt sich: Warum? Warum tun sie es nicht einfach? Es ist doch keine große Sache. Warum fällt es ihnen so schwer, zu helfen oder auch nur zu gönnen?

Die Antwort ist komplexer, als man denkt.

Es gibt tatsächlich viele Gründe, warum Menschen nicht helfen oder nicht gönnen können. Und nein, es geht dabei nicht immer nur um Faulheit oder Boshaftigkeit – auch wenn es oft danach aussehen mag. Man hat oft den Eindruck, dass manche einfach nicht wollen, weil sie es dir nicht gönnen, weil sie neidisch sind oder dir den Erfolg, das Glück oder den Vorteil nicht lassen wollen. Und ja, in vielen Fällen steckt tatsächlich genau das dahinter: Neid. Der Gedanke, dass du etwas bekommst, was sie selbst nicht haben, kann für manche Menschen unerträglich sein. Es fühlt sich an, als würdest du ihnen etwas wegnehmen, auch wenn das gar nicht der Fall ist. Statt dir zu helfen oder dir etwas zu gönnen, zieht sich diese Person zurück und sucht nach Gründen, warum sie dir den Gefallen nicht tun kann. Und manchmal tun sie es sogar bewusst – ja, aus einer Art von Boshaftigkeit. Aber die Wurzel dieses Verhaltens liegt oft viel tiefer.

Neid ist ein starkes Gefühl. Es nagt an einem, lässt einen die Welt als unfair erleben. „Warum hat er das, was ich nicht habe? Warum soll ich ihr helfen, wenn mir selbst keiner hilft?“ Solche Gedanken schwirren unbewusst durch den Kopf. Und je tiefer diese Gefühle verankert sind, desto mehr blockieren sie jede Bereitschaft, einem anderen Menschen etwas zu gönnen oder zu geben.

Und dennoch ist es nicht immer Neid oder Boshaftigkeit, die Menschen davon abhält, zu helfen. Manchmal ist es schlicht und einfach Unsicherheit. Unsicherheit darüber, ob man überhaupt in der Lage ist, zu helfen. „Was, wenn ich das falsch mache? Was, wenn ich es nicht schaffe? Was, wenn ich etwas falsch kaufe oder vergesse?“ Diese Art von innerer Unsicherheit lähmt, auch wenn der Gefallen noch so klein scheint. Es sind Ängste, die tief in der Psyche verwurzelt sind. Oft gehen sie zurück auf Erfahrungen aus der Kindheit, als man das Gefühl hatte, nicht gut genug zu sein, nicht zu genügen.

Und dann gibt es noch die Menschen, die es einfach nicht ertragen können, anderen zu helfen, weil sie selbst zu oft das Gefühl hatten, ausgenutzt zu werden. Sie haben vielleicht in der Vergangenheit immer wieder gegeben und geholfen, nur um am Ende leer auszugehen. Diese Menschen haben gelernt, dass es sicherer ist, sich zurückzuziehen und nicht zu geben. Sie haben Angst davor, wieder verletzt oder ausgenutzt zu werden. Und auch wenn der Gefallen noch so klein scheint – es weckt diese alten Wunden.

Die Psychologie hat sich in den letzten Jahren intensiv mit diesen Verhaltensmustern beschäftigt. Man weiß heute, dass viele dieser Reaktionen tief in der eigenen Geschichte verankert sind. Es sind oft Schutzmechanismen, die im Laufe des Lebens entstanden sind. Schutz vor Enttäuschung, vor Verletzungen, vor dem Gefühl, nicht gut genug zu sein. Es ist einfacher, sich zurückzuziehen und „Nein“ zu sagen, als sich der Möglichkeit zu stellen, enttäuscht zu werden.

Und manchmal, ja, manchmal ist es einfach der Mangel an Empathie. Nicht jeder Mensch kann sich leicht in andere hineinversetzen. Sie sehen nicht, wie wichtig dieser kleine Gefallen für dich ist. Sie sehen nur, dass es für sie selbst eine Anstrengung bedeutet – und das reicht, um abzulehnen. Empathie ist etwas, das nicht jedem von Natur aus gegeben ist. Manche Menschen müssen es erst lernen, und bei einigen bleibt dieses Lernfeld leider ein Leben lang unerschlossen.

Letztlich bleibt die Erkenntnis: Es gibt viele Gründe, warum Menschen nicht helfen, warum sie nicht gönnen oder sich schwer damit tun, auch nur den kleinsten Gefallen zu tun. Manche sind unsicher, manche sind neidisch, andere wiederum einfach erschöpft von all den Gefälligkeiten, die sie in der Vergangenheit gegeben haben. Vielleicht ist es keine bewusste Entscheidung, einem nicht zu helfen. Vielleicht liegt es an inneren Kämpfen, die wir gar nicht sehen können.

Am Ende bleibt daher nur eins: Geduld. Und vielleicht auch ein Augenzwinkern. Menschen sind eben kompliziert. Der eine gibt dir lieber eine Ausrede, der andere seinen Rat (ob du willst oder nicht). Manchmal sitzen hinter einem kleinen „Nein“ jahrelange Psychogramme versteckter Ängste, Kindheitserlebnisse und eine ordentliche Portion Neid. Aber hey, vielleicht gönnst du ihnen einfach mal, dass sie dir nichts gönnen können?

Von Selma Cakir

Aus einem anderen Blickwinkel

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