Da ist Lisa, 15 Jahre alt, mitten in der Pubertät. Alles, was ihre Freunde sagen oder tun, ist plötzlich unglaublich wichtig. Streit mit der besten Freundin? Weltuntergang. Nicht zur Party eingeladen? Katastrophe. Als Erwachsener schmunzelt man vielleicht und denkt: „Ach, diese Teenager, die übertreiben doch maßlos!“ Aber halt! Vielleicht liegt da mehr in diesen Dramen, als wir glauben. Denn die Beziehungen, die Jugendliche in ihrer Adoleszenz knüpfen, sind weit mehr als bloße Teenie-Probleme – sie könnten entscheidend für ihre Zukunft sein.

Es ist leicht, die intensiven Gefühle von Jugendlichen abzutun. Immerhin haben wir diese Phasen selbst durchgemacht und wissen heute, dass die damaligen Konflikte nicht die Tragweite hatten, die wir ihnen zuschrieben. Doch in der Wissenschaft zeigt sich immer deutlicher, dass die Art und Weise, wie Jugendliche ihre Freundschaften gestalten, langfristig Spuren hinterlassen kann. Ein schwieriges Miteinander in der Jugend ist kein bloßer Windhauch, der an uns vorbeizieht. Es ist vielmehr wie ein Sturm, der tief im Inneren wütet und sich Jahre später auf verschiedene Weisen bemerkbar machen kann. Ein Beispiel? Man denke nur an diesen einen Freund oder die eine Freundin aus der Schule, mit der alles kompliziert war – wie oft finden wir uns Jahre später wieder, wie wir immer noch bestimmte Verhaltensmuster durchleben, die vielleicht genau in dieser Freundschaft ihren Ursprung fanden?

Ein Mangel an engen, unterstützenden Freundschaften während der Jugendzeit kann, so sagen die Experten, nicht nur auf die Psyche drücken, sondern sich auch auf den Körper auswirken. Wer als junger Mensch nicht lernt, wie man gesunde Beziehungen aufbaut und pflegt, hat es später schwerer. Beziehungen sind das Gerüst unseres sozialen Lebens, und wenn dieses Gerüst wackelt, kann das Folgen haben – vom emotionalen Stress bis hin zu körperlichen Beschwerden. Wer hätte gedacht, dass die Streitereien auf dem Schulhof später einmal unseren Blutdruck in die Höhe treiben könnten?

Für Eltern ist es oft schwierig, die Bedeutung dieser Jugendfreundschaften zu begreifen. Klar, man weiß, dass Freunde wichtig sind. Aber wenn das eigene Kind weinend aus dem Zimmer stürmt, weil es nicht die erhoffte Nachricht auf WhatsApp bekommen hat, ist es schwer, das als „lebensentscheidend“ zu sehen. Doch genau das ist es in den Augen der Jugendlichen. Diese Beziehungen sind für sie das Fundament, auf dem sie ihr Selbstbild, ihre Zukunft und ihre Rolle in der Welt aufbauen.

Nehmen wir mal an, Tom, 16 Jahre alt, hat Schwierigkeiten, Freunde zu finden. Seine Eltern sind besorgt, aber sie denken: „Das gibt sich. Irgendwann wird er schon seinen Platz finden.“ Aber was, wenn das nicht so einfach ist? Was, wenn Tom tatsächlich Schwierigkeiten hat, sich zu integrieren, und das Gefühl entwickelt, nicht dazuzugehören? Diese Unsicherheiten und negativen Erfahrungen können lange nachwirken – weit über die Schulzeit hinaus. Sie könnten in ihm den Glauben festigen, dass er weniger wert ist, weniger zu bieten hat. Und dieser Glaube? Nun, der kann sich tief in seine Psyche eingraben und ihm später im Leben im Weg stehen – in Beziehungen, im Beruf, in seinem gesamten Selbstbild.

Es ist also kein Zeichen von Überreaktion, wenn Jugendliche ihre Freundschaften so ernst nehmen. Sie spüren, oft intuitiv, wie wichtig diese Verbindungen für ihr späteres Wohlbefinden sind. Und das ist etwas, das wir als Erwachsene nicht nur erkennen, sondern aktiv unterstützen sollten. Ja, Teenager können anstrengend sein. Ja, ihre Dramen sind oft schwer nachzuvollziehen. Aber diese Dramen sind echt – für sie zumindest. Und sie sind es wert, ernst genommen zu werden.

Was also können Eltern tun? Sie können sich die Zeit nehmen, zuzuhören. Wirklich zuzuhören. Nicht mit der Einstellung: „Das ist nur eine Phase.“ Sondern mit dem Bewusstsein: „Das ist wichtig für dich, also ist es auch wichtig für mich.“ Eltern können ihren Kindern helfen, gesunde Freundschaften zu pflegen, indem sie sie ermutigen, sich in Gruppen zu engagieren – sei es im Sport, in einer Jugendgruppe oder im Theater. Hier lernen sie, wie man mit anderen umgeht, wie man Konflikte löst und wie man echte Freundschaften aufbaut. Und wenn es wirklich Probleme gibt, sollte man nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Am Ende des Tages sollten wir uns daran erinnern, wie wir uns als Jugendliche gefühlt haben. Diese Zeit war oft verwirrend, überwältigend und emotional. Die Freundschaften, die wir damals geknüpft haben, hatten eine Bedeutung, die weit über das Klassenzimmer hinausging. Und das ist heute nicht anders. Wenn wir also das nächste Mal ein Teenagerdrama mitbekommen, vielleicht lächeln wir nicht nur darüber. Vielleicht nehmen wir es zum Anlass, einen Schritt zurückzutreten und uns zu erinnern, wie wichtig es für sie ist – und wie wichtig es für ihre Zukunft sein könnte.

Von Kamuran Cakir

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