Man stelle sich die Szene vor: Ein lebhaftes Klassenzimmer, Grundschulkinder, aufgedrehte Stimmen, viele Ideen. Die Lehrerin fragt: „Was wollt ihr später einmal werden?“ Sofort schnellen die Hände nach oben, und es sprudelt nur so heraus. Die Jungs sagen oft: „Ich werde Fußballer!“ und die Mädchen träumen davon, Model zu werden. Klingt irgendwie typisch, oder? Aber warum eigentlich? Was steckt dahinter, dass diese Träume so fest in jungen Köpfen verankert sind?

Die Idee, Fußballer oder Model zu werden, mag im ersten Moment wie eine spaßige Antwort erscheinen. Doch so einfach ist es nicht. Unsere Kinder sind nicht einfach kleine Kopien der Erwachsenen um sie herum – aber sie beobachten und lernen, und zwar schneller, als wir es oft wahrhaben wollen. Sie sehen, was um sie herum passiert, nehmen auf, was Eltern, Medien und Freunde vorleben, und bilden daraus ihre Träume und Ziele. Klar, Ronaldo und Messi sind absolute Superstars, und wenn sie auf dem Bildschirm kicken, bleibt der Blick gebannt haften. Ebenso faszinieren Models mit ihrem perfekten Lächeln, ihrem Glamour, ihrer scheinbaren Leichtigkeit. Wer würde das nicht faszinierend finden?

Aber ist es gut, dass Kinder solche Träume haben? Nun, ganz so einfachist es natürlich nicht, hierauf die richtige Antwort zu finden. Zum einen zeigt es doch, dass Kinder eine gewisse Zielstrebigkeit entwickeln, dass sie daran glauben, mit Leidenschaft Großes erreichen zu können. Doch zum anderen: Wie realistisch sind solche Traumberufe eigentlich? Nicht viele werden am Ende des Weges tatsächlich Fußballstar oder Model. Für die meisten bleibt es ein schöner Traum, den die Realität irgendwann ablöst. Und genau hier kommen wir ins Spiel – Eltern, Lehrer und alle Erwachsenen, die Kinder auf ihrem Weg begleiten. Es geht darum, ihnen nicht nur zuzuhören, sondern ihnen auch Alternativen zu zeigen. Sie brauchen nicht nur die Freiheit, zu träumen, sondern auch die Ermutigung, andere, vielfältigere Möglichkeiten zu erkunden.

Was können wir also besser machen? Nun, für den Anfang könnten wir weniger in Kategorien denken, die uns die Medien oft vorsetzen. Kinder brauchen Vorbilder in unterschiedlichsten Berufen, nicht nur in den glanzvollen Rollen der Unterhaltungsindustrie. Warum nicht auch von einer tollen Ärztin oder einem engagierten Lehrer erzählen? Oder von dem Mechaniker, der mit Geschick und Wissen dafür sorgt, dass alles läuft? Es geht darum, Kindern ein Umfeld zu zeigen, das nicht nur Fußball und Glamour kennt, sondern auch die stillen Helden, die täglichen Herausforderungen und die Menschen, die durch Handwerk, Wissenschaft und Kreativität die Welt ein bisschen besser machen.

Natürlich hat jedes Kind das Recht, Träume zu haben – und daran ist nichts falsch. Träume lassen uns aufblühen, sie schenken uns Hoffnung und Mut. Doch genauso wichtig ist es, dass Kinder lernen, das Leben in seiner Vielfalt zu sehen und zu begreifen. Sie sollten erfahren, dass man mit Geduld, Ehrlichkeit und Engagement viel erreichen kann. Und dass der Weg zum Glück und zur Erfüllung oft nicht auf dem roten Teppich liegt, sondern in den kleinen Erfolgen des Alltags.

Eltern und Erzieher haben hier eine große Verantwortung. Sie können Kindern den Horizont erweitern, indem sie ihnen Fragen stellen wie: „Was interessiert dich wirklich?“ oder „Was macht dich glücklich, wenn du es tust?“ So lassen sich Interessen entdecken, die fernab von Ruhm und Glanz liegen.

Die Träume, die Kinder hegen, haben zudem oft eine besondere Leichtigkeit, ein Gefühl von „das wird schon“. Sie stellen sich vor, irgendwann einfach da zu sein – auf dem Fußballfeld vor Tausenden jubelnder Fans oder auf dem Laufsteg, wo Kameras blitzen. Doch was sie selten sehen, sind die Schritte, die dazwischen liegen, die kleinen Bausteine, die Stück für Stück zusammengesetzt werden müssen, um überhaupt auf diesen großen Bühnen stehen zu können. Träumen ist wunderbar, ja – aber zu glauben, dass das von selbst kommt, kann leicht dazu führen, dass der Traum im Nebel der Fantasie verpufft.

Hier sind wir Erwachsenen gefragt. Denn Kinder müssen lernen, dass jeder Traum auch kleine, konkrete Schritte braucht, um Wirklichkeit zu werden. Diese Schritte können so unterschiedlich sein wie die Träume selbst, aber sie alle haben etwas gemeinsam: Sie erfordern Einsatz, Geduld und den Mut, immer wieder neu zu beginnen. Ein Kind, das Fußballprofi werden will, kann beginnen, regelmäßig im Verein zu trainieren, jeden Tag ein bisschen besser zu werden, an seinen Fähigkeiten zu arbeiten, auch wenn das nicht immer leicht ist. Ein Kind, das Model werden möchte, könnte durch Tanzen oder Schauspielern lernen, sich auszudrücken und Selbstvertrauen aufzubauen – und damit wichtige Grundlagen für das Leben legen, ganz unabhängig davon, ob es letztendlich auf den Laufsteg geht oder nicht.

Diese Bausteine sind nicht nur Wegbereiter für den großen Traum, sondern auch wertvolle Lektionen für das Leben. Sie lehren Kinder, dass nichts von selbst geschieht, dass es die kleinen Erfolge und Misserfolge sind, die am Ende Großes formen. Wer einmal die Erfahrung gemacht hat, wie gut es sich anfühlt, etwas durch eigene Anstrengung erreicht zu haben, wird diesen Weg nicht nur einmal gehen wollen. So lernen sie, dass es egal ist, welchen Traum sie verfolgen – ob Fußball, Mode oder ein ganz anderes Ziel – die Fähigkeit, in kleinen Schritten vorwärtszugehen und dabei nie den Blick für den eigenen Weg zu verlieren, ist das wahre Geheimnis jedes Erfolgs.

Also lassen wir unsere Kinder träumen, ja, aber zeigen wir ihnen auch, wie sie ihre Träume fest in die Hände nehmen können. Indem wir sie ermutigen, diese Bausteine zu setzen, geben wir ihnen etwas Unbezahlbares mit: die Kraft, ihre eigenen Ziele zu erreichen, ganz gleich, wo sie am Ende des Weges stehen.

Vielleicht liebt ein Kind das Zeichnen und könnte sich später eine Karriere in der Architektur oder im Grafikdesign vorstellen. Ein anderes Kind zeigt Freude an Tieren und könnte vielleicht Tierärztin oder Zoologe werden. Solche Gespräche helfen nicht nur, den Blick der Kinder zu weiten, sondern stärken auch ihr Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, ihren eigenen Weg zu gehen.

Es geht am Ende nicht darum, Träume auszubremsen, sondern darum, sie um bestimmte Facetten zu erweitern, damit die Kinderihre wahrn Leidenschaften findenkönnen. Ein Traum ist eine großartige Sache, solange er nicht die einzige Option bleibt. Indem wir Kinder ermutigen, neugierig zu sein und die Vielfalt des Lebens zu entdecken, geben wir ihnen die Freiheit, ihren ganz persönlichen Weg zu finden – unabhängig davon, ob sie sich am Ende als Fußballprofi oder als Model auf dem Spielfeld des Lebens sehen.

Von Kamuran Cakir

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