Es gibt Momente, da scheint alles um uns dunkel, schwer und endlos wie die tiefsten Tiefen der Ozeane. Man fragt sich, wie tief kann es noch gehen? Gibt es einen Punkt, an dem man einfach nicht tiefer sinken kann? Die Antwort ist verblüffend: Nein, denn dieser Punkt ist bei keinem von uns gleich. Jeder Mensch hat seine eigene „Tiefe“, die er erreicht – nicht auf einem Lineal messbar, sondern in der Art, wie es sich anfühlt. Und doch, so unterschiedlich wir sind, gibt es ein gemeinsames Band: das Gefühl, am tiefsten Punkt zu sein und die bange Frage, wie man da wieder herauskommt.

In diesen Momenten stellt sich oft die Frage: Wann kommt endlich die Flut? Nach all den „Ebbe-Momenten“ müsste das Leben doch mal wieder eine positive Wendung nehmen, oder? So wie das Meer nach der Ebbe immer wieder in die Flut übergeht. Die Gezeiten des Lebens scheinen oft ähnlich abzulaufen, aber während die Gezeiten des Meeres zuverlässig und rhythmisch sind, sind die Gezeiten des Lebens oft viel unberechenbarer. Sie folgen keiner strikten Regel, sondern sind ein Tanz aus Zufall, Entscheidungen und kleinen, unscheinbaren Ereignissen.

Oft kommen die ersten „Wellen“ dann zurück, wenn man am wenigsten damit rechnet. Ein kleiner Moment, ein Lächeln von einem Fremden, ein Anruf von einem alten Freund oder einfach ein sonniger Tag nach einer langen Regenzeit. Solche kleinen Wellen bauen sich langsam auf und zeigen uns, dass selbst die tiefste Ebbe irgendwann nachlässt. Der Weg heraus ist jedoch selten einfach. Manchmal braucht es mehr als nur den natürlichen Wechsel der „Gezeiten“. Manchmal braucht es ein bisschen Mut, ein bisschen Vertrauen – und manchmal auch einfach den ersten kleinen Schritt in Richtung Veränderung.

Und dann ist da noch die Frage: Was wäre, wenn man die Zeit einfach anhalten könnte? Das Spiel noch einmal von vorne beginnen, ohne die Fehler, ohne die schwierigen Entscheidungen? Ein verlockender Gedanke, aber das Leben lässt sich nun mal nicht wie ein Spiel zurücksetzen. Die Zeit fließt immer weiter, wie das Meer, das niemals stillsteht. Die Vorstellung, dass man den „Reset“-Knopf drücken könnte, bringt uns oft nicht weiter. Viel mehr hilft es, die Dinge anders zu betrachten: Nicht als Fehler, sondern als Lernerfahrungen, nicht als Hindernisse, sondern als Sprungbretter. Die Gezeiten, die uns manchmal so hart treffen, sind oft auch die Wellen, die uns an neue Ufer spülen, die uns wachsen und uns neu finden lassen.

Das Spiel des Lebens lässt sich nicht aufhalten, aber es lässt sich immer neu beginnen – und das nicht, indem wir alles anders machen, sondern indem wir in den gleichen Herausforderungen neue Chancen sehen. Vielleicht ist das Leben wirklich wie das Meer: Tief, unergründlich und manchmal bedrohlich, doch immer in Bewegung, immer in Veränderung und voller Überraschungen, wenn man nur genau hinschaut.

Von Esra Toca

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