Manchmal treffen wir auf Gespräche, die mehr sind als ein Austausch von Worten. Sie sind kleine Theaterstücke des Lebens, in denen Überzeugungen aufeinanderprallen, Hoffnungen gegen Erfahrungen antreten und die Frage im Raum schwebt: Wer hat recht? Da saßen also zwei Menschen – der eine voller Zuversicht, dass die Zukunft die Vergangenheit überstrahlen könnte, und der andere, mit der festen Überzeugung, dass die Vergangenheit die bessere Lehrerin ist. Ein Duell der Denkweisen, wie es alltäglicher nicht sein könnte.

Der eine erzählte von all den Dingen, die schiefgelaufen waren, als er in ähnlichen Situationen steckte. „Das wird nichts“, sagte er mit der Ruhe eines Schachspielers, der das Matt kommen sieht, lange bevor der Gegner es begreift. Er sprach von Zahlen, von Strategien, die er ausprobiert hatte, und von der bitteren Erfahrung, dass nicht jede Idee, die leuchtend klingt, auch wirklich fliegt. „Es gibt Dinge, die kann man nicht schönreden. Die enden immer gleich – an der Wand.“

Der andere hingegen funkelte förmlich vor Enthusiasmus. Es war diese Mischung aus Hoffnung und Willenskraft, die uns Menschen antreibt, es immer wieder zu versuchen, selbst wenn alle Zeichen dagegen sprechen. „Aber diesmal wird es anders!“ Seine Argumente sprudelten heraus, wie Wasser aus einem frisch gebohrten Brunnen. „Es gibt neue Technologien, neue Märkte. Wir müssen nur die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, dann wird es laufen!“ Doch als das Wort „Testphase“ fiel, erstarrte der Enthusiast plötzlich. „Warum sollte ich das unentgeltlich machen? Ich will keine Zeit verschwenden, nur um am Ende ausgenutzt zu werden.“

Hier wird es spannend. Der Pragmatiker, nennen wir ihn so, vertraut darauf, dass Muster der Vergangenheit sich wiederholen. Der Visionär hingegen glaubt an die Kraft des Neuanfangs und möchte nicht in alten Bahnen denken. Wer hat recht? Vielleicht keiner. Vielleicht beide.

Die Wissenschaft ist sich einig, dass wir Menschen bei Entscheidungen oft dazu neigen, entweder zu viel Gewicht auf vergangene Erfahrungen zu legen oder uns von ungebremstem Optimismus treiben zu lassen. Die Psychologie nennt dies den „Rückschaufehler“ und die „Zukunftsverzerrung“. Wir überschätzen entweder die Wahrscheinlichkeit, dass sich Dinge genauso entwickeln wie früher, oder wir übersehen Warnzeichen, weil uns die Vorstellung einer besseren Zukunft so viel Trost bietet.

Und doch: Beide Positionen haben ihre Berechtigung. Der Pragmatiker schützt sich vor wiederholtem Scheitern, während der Visionär den Mut hat, das Bekannte infrage zu stellen. Hier liegt der Schlüssel: Es ist nicht die Frage, wer recht hat, sondern wie man beide Perspektiven vereinen kann. Eine Testphase, wie der Visionär sie ablehnt, könnte ein Mittelweg sein. Klein anfangen, Risiken minimieren, aber das Potenzial nicht aus den Augen verlieren.

Nehmen wir ein Beispiel aus dem Alltag. Stell dir einen jungen Menschen vor, der eine neue Sprache lernen möchte. Der Pragmatiker in ihm sagt: „Das schaffst du nicht. Du hast es mit Französisch versucht und bist gescheitert.“ Der Visionär hingegen malt sich aus, wie er in fernen Ländern fließend spricht und neue Kulturen entdeckt. Was macht er? Bleibt er beim Pragmatismus, wird er es nie versuchen. Gibt er sich nur der Vision hin, könnte er scheitern und aufgeben. Doch wenn er pragmatisch eine Sprach-App nutzt, in kleinen Schritten beginnt, hat er eine Chance.

Zurück zu unserem Duo: Der Visionär könnte lernen, dass eine Testphase kein Versagen ist, sondern eine Möglichkeit, sich voranzutasten. Und der Pragmatiker könnte erkennen, dass nicht jede Wand aus Beton ist – manchmal ist sie nur eine Illusion aus Ängsten und Zweifeln.

Am Ende sind wir alle ein bisschen von beiden: Visionäre mit Pragmatikerstimmen im Kopf. Die Kunst liegt darin, diese Stimmen in Einklang zu bringen, den Mut nicht zu verlieren und gleichzeitig den Verstand nicht auszuschalten. Denn nur so entstehen die wirklich großen Erfolge – aus einer Mischung von Mut, Erfahrung und dem Willen, es immer wieder zu versuchen.

Von Kamuran Cakir

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