Hast du dich jemals dabei ertappt, wie du dir Zeit für ein Hobby genommen hast – nicht etwa, weil du gerade Lust darauf hattest, sondern weil es auf deiner Liste stand? Als ein weiterer Punkt in einem Tagesablauf, der sowieso schon von Terminen und Verpflichtungen überquillt? Vielleicht hast du dir sogar gesagt, dass du das ja für dich selbst machst. Für dein Wohlbefinden, deine mentale Gesundheit. Und doch fühlte es sich am Ende eher nach Arbeit als nach Vergnügen an. Willkommen in der modernen Welt, in der selbst Spaß zum To-do geworden ist.

Es beginnt oft ganz harmlos. Der Gedanke: „Ich sollte wirklich mal wieder etwas für mich tun.“ Schnell wird aus dem „sollte“ ein „muss“. Ein Spaziergang im Park klingt wunderbar, aber nur, wenn man vorher die Schritte zählt. Ein warmes Bad klingt verlockend, doch auch das wird nur richtig genossen, wenn es vorher auf Instagram inszeniert wird. Und der Feierabend wird zum Sportprogramm, weil man schließlich etwas gegen den Stress tun will. Ironisch, nicht wahr? Was eigentlich entspannen und Freude bereiten soll, wird zum Stressor.

Die Ursache liegt tief. Wir sind ständig unterwegs, nicht nur körperlich, sondern auch gedanklich. Während wir mit einem Buch in der Hand auf der Couch sitzen, planen wir schon den nächsten Tag. Beim Joggen grübeln wir über offene E-Mails. Und in der kurzen Mittagspause scannen wir die neuesten Trends auf Social Media. Wir sind nie wirklich da, wo wir sind. Stattdessen sind wir immer schon einen Schritt weiter – oder drei.

Das Problem ist: Wenn der Moment selbst keine Rolle mehr spielt, verliert alles, was wir tun, seinen Zauber. Der Spaziergang durch den Wald wird nicht genossen, weil die Herbstfarben so beeindruckend sind, sondern weil wir hoffen, genug frische Luft zu tanken, um die Woche zu überstehen. Die Badewanne wird nicht zum Ort der Entspannung, sondern zur Bühne für den perfekten Schnappschuss. Und was bleibt am Ende? Ein flüchtiges Gefühl von Erledigung, aber keine echte Freude.

Warum ist das so? Ein Grund könnte sein, dass wir in einer Welt leben, die uns unzählige Möglichkeiten bietet – und uns gleichzeitig ständig daran erinnert, dass wir das Beste daraus machen sollen. Jede freie Minute könnte produktiv genutzt werden. Wir könnten fitter, erfolgreicher, gesünder sein. Also versuchen wir, alles gleichzeitig zu machen. Wir hören einen Podcast, während wir joggen. Wir lesen ein Buch und scrollen gleichzeitig durch unser Handy. Multitasking ist der neue Normalzustand. Doch das, was uns dabei verloren geht, ist die Fähigkeit, wirklich bei einer Sache zu bleiben – und sie zu genießen.

Dabei wissen wir doch eigentlich, wie gut es tut, einfach mal nichts zu tun. Wer hat nicht schon das selige Gefühl nach einem unbeschwerten Nachmittag erlebt, an dem man völlig spontan etwas gemacht hat? Ob das ein Besuch im Kino war, ein Sprung ins kalte Wasser oder ein chaotisches Backexperiment in der Küche – die besten Momente entstehen oft, wenn sie nicht geplant sind. Aber wann war dein letzter spontaner Moment? Wahrscheinlich ist es eine Weile her.

Doch keine Sorge, es gibt Hoffnung. Der Schlüssel liegt darin, sich bewusst für die Freude zu entscheiden – nicht, weil sie auf einer Liste steht, sondern weil sie im Moment genau das Richtige ist. Wenn du das nächste Mal durch den Park gehst, lass den Schrittzähler zuhause. Wenn du ein Buch liest, lass das Handy im anderen Zimmer. Und wenn du einfach mal in die Luft starren willst, dann tu genau das. Es gibt keinen besseren Weg, den Kopf frei zu bekommen.

Das Leben ist nicht dafür gemacht, ständig optimiert zu werden. Manchmal ist das Beste, was wir tun können, einfach nur zu sein. Nicht, um produktiver oder besser oder gesünder zu werden. Sondern einfach, um das Leben zu spüren – in seiner chaotischen, unperfekten, wunderbaren Form. Es ist erstaunlich, wie befreiend es sein kann, den Spaß wieder Spaß sein zu lassen.

Von Kamuran Cakir

Aus einem anderen Blickwinkel

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