Abends auf dem Sofa, die Fernbedienung in der Hand, der Körper endlich still nach einem langen Tag. Es könnte so einfach sein: abschalten, genießen, dem Kopf eine Pause gönnen. Doch was wir nicht spüren, während wir uns durch Serienwelten oder digitale Abenteuer klicken, ist, was unser Gehirn wirklich braucht. Denn wie wir unsere Zeit im Sitzen verbringen, entscheidet mehr darüber, was in unseren Köpfen geschieht, als wir denken. Die Wissenschaft hat das längst herausgefunden, doch oft hören wir nur: „Mehr Bewegung, weniger sitzen.“ Ein simpler Rat, der, seien wir ehrlich, nicht immer einladend klingt, wenn man müde ist. Doch was wäre, wenn es auch im Sitzen Wege gäbe, das Gehirn fit zu halten?

Da sind zum Beispiel Bücher. Wer sich in eine Geschichte vertieft, reist zwar nicht körperlich, dafür aber geistig. Ein Roman, der uns packt, ein Sachbuch, das uns fesselt, oder gar ein Kreuzworträtsel, das uns fordert – sie alle lassen unsere Gedanken arbeiten wie kleine Sportler, die über mentale Hürden springen. Wer schon einmal vergessen hat, die Zeit beim Lesen zu zählen, weiß: Diese Momente fühlen sich wie ein kleines Abenteuer an. Nicht anstrengend, sondern belebt. Dass dies gleichzeitig eine Wohltat fürs Gedächtnis ist, fühlt sich beinahe wie ein Bonus an.

Anders sieht es aus, wenn der Fernseher flimmert oder wir uns mit einem Computerspiel in fremde Welten beamen. Das mag uns zwar unterhalten und kurzfristig entspannen, doch das Gehirn selbst bleibt dabei oft passiv. Nicht alles, was uns in diesen Momenten fesselt, tut auch unserer Denkleistung gut. Forscher haben erkannt, dass diese Form des Nichtstuns langfristig sogar schaden kann. Es ist, als würden wir den Kopf in Watte packen: weich, bequem, aber ohne Raum für Wachstum.

Doch bevor du nun die Fernbedienung in den Mülleimer wirfst oder das Smartphone weit weglegst, keine Sorge: Die Lösung liegt nicht in radikalem Verzicht, sondern in kleinen Veränderungen. Der Schlüssel ist der Wechsel. Ein bisschen Bewegung zwischen den Serienfolgen, ein Gespräch, das ein Lächeln hervorruft, oder das Basteln an einem alten Hobby – schon solche kurzen Momente aktivieren das Gehirn auf andere Weise. Es geht also weniger darum, dass wir gar nicht still sitzen dürfen, sondern darum, wie wir es tun. Ein Kartenspiel mit Freunden ist ebenso entspannend wie unterhaltsam. Ein wenig Musik, selbst wenn wir nur ein Instrument wieder hervorkramen und schief darauf herumklimpern, schenkt dem Kopf Freude und neue Impulse.

Und ja, Bewegung bleibt ungeschlagen. Wer schon einmal nach einem Spaziergang gespürt hat, wie die Gedanken plötzlich klarer fließen, weiß um ihre Wirkung. Sport ist nicht nur etwas für den Körper, sondern ein Fest für das Gehirn. Doch oft braucht es gar nicht die große Joggingrunde: Ein kleiner Gang durch die Wohnung oder fünf Minuten Dehnen wirken schon Wunder, besonders wenn wir es regelmäßig tun. Denk nur an die berühmte Tasse Tee zwischendurch. Warum nicht beim Aufbrühen ein paar Kniebeugen wagen oder beim Warten auf den Wasserkocher ein paar Schritte gehen?

Die Wahrheit ist: Wir alle brauchen Momente der Ruhe. Doch die Qualität dieser Ruhe macht den Unterschied. Wenn wir beginnen, unsere Zeit auf dem Sofa ein wenig schlauer zu nutzen, erschließen wir uns neue Energiequellen. Ein Buch kann uns tief berühren, ein Gespräch mit Freunden lässt uns Neues entdecken, und manchmal reicht schon ein kleines Puzzle, das uns fordert. Denn auch unser Gehirn, dieses wunderbare Organ, liebt Herausforderungen. Es will nicht bloß passiv konsumieren – es will leben, lernen, wachsen.

Vielleicht greifst du beim nächsten entspannten Abend also nicht nur zur Fernbedienung, sondern wechselst einmal die Perspektive. Fünf Minuten etwas Neues auszuprobieren, ein wenig zu lesen oder kurz aufzustehen – es mag klein wirken, doch für dein Gehirn kann es eine große Wohltat sein. Denn in all diesen Momenten passiert das Wunderbare: Wir schenken uns selbst nicht nur Ruhe, sondern auch geistige Bewegung. Und das, so scheint es, ist das beste Rezept für ein Leben, das uns lange frisch und lebendig hält.

Von Kamuran Cakir

Aus einem anderen Blickwinkel

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