Es passiert schneller, als uns lieb ist: Ein unbedachtes Wort von jemandem, ein Missgeschick, das uns unterläuft, oder ein Blick in die Nachrichten, und schon dreht sich das Gedankenkarussell. Plötzlich laufen im Kopf Szenarien ab, die sich verselbstständigen, dunkle Wolken ziehen auf, und das Gehirn macht Überstunden – aber nicht für etwas Produktives, sondern für eine unsichtbare Dauerschleife an Zweifeln, Sorgen und Selbstvorwürfen. Wer kennt das nicht?

Der innere Kritiker ist dabei ein Meister seines Fachs. Er findet immer ein Haar in der Suppe, rechnet uns alte Fehler vor und ist der Erste, der ruft: „Das wird nichts!“ Dabei ist er nicht einmal besonders kreativ. Seine Schallplatte spielt seit Jahren dieselben Lieder, oft nur mit leicht geänderter Melodie. Aber warum lassen wir das zu? Und vor allem: Wie kommen wir da wieder raus?

Die gute Nachricht: Unser Gehirn ist formbar. Es bleibt uns nicht für immer in den gleichen Bahnen verhaftet. Wir sind nicht dazu verdammt, denselben negativen Mustern für immer zu folgen. Die weniger erfreuliche Nachricht: Es braucht Arbeit, die eigenen Gedanken umzuprogrammieren. Unser Kopf mag es bequem – und die alten, ausgetretenen Pfade sind für ihn schlicht weniger anstrengend als neue Wege. Aber genau das ist der Punkt: Wir müssen ihn herausfordern, ihm neue Gewohnheiten beibringen, und zwar am besten so, dass er es nicht einmal merkt.

Ein Trick ist es, sich selbst auf frischer Tat zu ertappen. Wann genau fangen die negativen Gedanken an? Ist es morgens nach dem Aufstehen, wenn sich der Tag wie eine riesige To-Do-Liste anfühlt? Oder abends, wenn wir die Ereignisse des Tages durchkauen und jeden Moment analysieren? Oft sind es ganz bestimmte Auslöser, die wir immer wieder unterschätzen. Ein unangenehmes Gespräch, ein unzufriedener Blick in den Spiegel oder ein Social-Media-Post, der uns das Gefühl gibt, alle anderen hätten das Leben besser im Griff als wir selbst.

Statt in diese Falle zu tappen, können wir unser Gehirn überlisten – mit einfachen, aber effektiven Mitteln. Eine bewährte Methode: Unterbrechen. Jedes Mal, wenn sich ein Gedanke aufdrängt, der uns in eine negative Spirale ziehen will, lohnt es sich, einen Stopp einzulegen. Ein lautes „Nein!“, eine bewusste Ablenkung oder – für Fortgeschrittene – ein humorvoller Twist. Wer sich selbst dabei erwischt, wie er mal wieder innerlich jammert, könnte sich zum Beispiel fragen: „Würde ich mit jemandem befreundet sein, der ständig so mit mir redet?“ Oder noch besser: „Würde ich diesen Gedanken auch laut aussprechen, wenn ich vor einer Gruppe stehen würde?“

Ein weiterer Schlüssel liegt in der Art, wie wir mit uns selbst sprechen. Die wenigsten Menschen würden einem guten Freund sagen: „Du bist wirklich unfähig, du schaffst gar nichts.“ Doch genau solche Sätze flüstern wir uns oft selbst zu. Warum also nicht bewusst umkehren? Statt „Ich bin so ein Versager“ könnte es heißen: „Okay, das war nicht mein Glanzmoment, aber was kann ich daraus lernen?“ Klingt einfacher, als es ist, aber wie bei allem gilt: Übung macht den Meister.

Neurobiologisch gesehen sind Gedanken keine harmlosen Begleiter, sondern sie haben Auswirkungen auf unseren Körper. Wer ständig grübelt, erzeugt eine Art Dauerstress, der langfristig nicht nur die Stimmung drückt, sondern auch das Immunsystem schwächt und den Körper in einen Alarmzustand versetzt. Kein Wunder also, dass negative Gedanken oft mit Müdigkeit, Verspannungen oder Kopfschmerzen einhergehen.

Die moderne Hirnforschung zeigt: Wer es schafft, bewusst aus Grübelmustern auszubrechen, aktiviert jene Gehirnbereiche, die für Kreativität, Optimismus und Problemlösung zuständig sind. Das heißt, je öfter wir negative Gedanken umlenken, desto leichter fällt es uns mit der Zeit. Das Gehirn merkt sich, dass es auch anders geht. Es liebt Belohnungen – und wenn wir uns für positive Gedanken belohnen (sei es mit einem bewussten Lächeln, einem tiefen Atemzug oder einer Geste der Selbstfürsorge), dann verstärken wir diese neuen Muster.

Ein weiteres wirksames Mittel: Bewegung. Nicht umsonst sagen viele, dass sie beim Spazierengehen oder Joggen ihre besten Ideen haben. Das liegt daran, dass sich durch Bewegung nicht nur Stress abbaut, sondern auch neue Verknüpfungen im Gehirn entstehen. Wer also gedanklich feststeckt, sollte nicht auf der Couch liegen bleiben, sondern rausgehen.

Und dann gibt es noch eine der schönsten Methoden: Lachen. Humor ist die Geheimwaffe gegen trübsinnige Gedanken. Wer über sich selbst lachen kann, wer Dinge mit einem Augenzwinkern sieht, der entzieht dem negativen Denken die Schwere.

Am Ende ist es wie mit einem alten Radio: Wir haben vielleicht jahrelang einen bestimmten Sender gehört – aber das heißt nicht, dass wir ihn nicht umstellen können. Vielleicht läuft auf einem anderen Kanal eine viel bessere Melodie. Und wir haben jederzeit die Wahl, den Knopf zu drehen.

Von Kamuran Cakir

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