Es gibt Tage, da fühlt man sich einfach durch – das Gedächtnis hakt, man vergisst, warum man in den Raum gekommen ist, und die Worte scheinen sich in den hintersten Hirnwindungen zu verstecken. Manchmal glaubt man, das sei halt so mit dem Älterwerden. Aber was wäre, wenn es einen Trick gäbe – etwas, das nicht nur das Herz in Schwung bringt, sondern auch den Kopf? Nicht neu, nicht geheim, aber mächtig unterschätzt: Bewegung. Nicht als sportliche Höchstleistung, sondern als Teil unseres Alltags. Spazieren, Radfahren, Treppensteigen – mehr braucht es oft gar nicht, um im Oberstübchen das Licht heller leuchten zu lassen.
Was früher als netter Nebeneffekt galt – ein bisschen frische Luft für den Kreislauf –, rückt heute ins Zentrum der Wissenschaft: Unser Gehirn bleibt länger jung, wenn unser Körper in Bewegung bleibt. Kein Hokuspokus, sondern harte Daten: Menschen, die im Alltag mehr Bewegung integrieren und ein gewisses Maß an Fitness aufrechterhalten, zeigen eine erstaunlich widerstandsfähige Großhirnrinde – also jenen Teil im Gehirn, der unser Denken, Erinnern, Planen und sogar unsere Sprache steuert. Während sich bei anderen in diesen Regionen mit den Jahren deutliche Schrumpfungen zeigen, bleibt bei Bewegten mehr Substanz erhalten. Und das ist im wahrsten Sinne des Wortes graue Substanz mit Gewicht.
Man stelle sich das Gehirn wie eine hochkomplexe Stadt vor. Straßen, Brücken, Stromleitungen – all das muss gewartet, versorgt, durchblutet werden. Fehlt der Sauerstoff, weil der Körper träge geworden ist, fängt diese Stadt an, zu verfallen. Erst unmerklich. Ein Gedanke zu spät, ein Name auf der Zunge, aber nicht im Kopf. Doch mit der Zeit wird’s problematisch. Besonders der rechte obere Bereich im Gehirn scheint empfindlich auf diesen Stillstand zu reagieren. Wer sich aber regelmäßig bewegt, versorgt diese Stadt mit neuer Energie, mit Sauerstoff, mit Impulsen. Die Straßen bleiben frei, die Gedanken fließen – die Erinnerung hält stand.
Man braucht kein Marathonläufer zu sein, um davon zu profitieren. Auch kein Fitnessjunkie. Schon wer seinen Alltag ein bisschen aktiver gestaltet, legt den Grundstein dafür, dass der Geist wach bleibt. Es sind jene, die den Einkauf zu Fuß erledigen, die lieber den Radweg nehmen als den Fahrstuhlknopf zu drücken, die mittags eine Runde drehen, statt sich direkt wieder vor den Bildschirm zu setzen – sie schenken ihrem Gehirn ein paar extra Jahre Klarheit.
Natürlich kann Bewegung Alzheimer nicht komplett verhindern – das wäre zu schön. Aber sie kann hinauszögern, abfedern, das Tempo der Veränderung bremsen. Und das kann enorm viel bedeuten, für die Betroffenen wie für ihre Familien. Das Gedächtnis ist schließlich nicht einfach nur ein Speicher – es ist unsere Geschichte, unser Zuhause. Wer will das schon verlieren?
Es ist an der Zeit, Bewegung nicht länger als Pflichtprogramm zum Kalorienverbrennen zu sehen, sondern als tägliche Investition in unsere geistige Freiheit. Nicht nur, um noch im Alter Kreuzworträtsel zu lösen, sondern um sich selbst nicht zu verlieren. Um sich an Geburtstage zu erinnern. Um die richtigen Worte zu finden, wenn man sagen will: „Ich hab dich lieb.“
Und wenn du morgen darüber nachdenkst, ob du das Auto nimmst oder zu Fuß gehst, ob du nach der Arbeit direkt aufs Sofa fällst oder noch eine kleine Runde drehst – denk daran: Du trainierst nicht nur deine Beine. Du schickst deinem Gehirn eine Liebeserklärung. Und es wird sie dir danken.
