Es beginnt nicht mit einem Krieg. Es beginnt auch nicht mit einer Explosion, einem Knall oder einer großen Entscheidung. Es beginnt ganz leise. Mit einem kleinen Riss, der kaum zu spüren ist. Einem Gedanken, den wir plötzlich nicht mehr zu Ende sprechen, weil uns der Blick des anderen abschneidet. Einer Meinungsverschiedenheit, die nicht ausgesprochen, sondern innerlich mit einem Hauch Groll abgelegt wird. Es beginnt, wenn wir aufhören, gemeinsam zu denken – und stattdessen anfangen, uns zu vermessen.

„Teile und herrsche“, das klingt wie ein Spruch aus einem alten Geschichtsbuch, als wäre das ein Problem längst vergangener Imperien. Dabei ist es heute aktueller denn je – nur hat es sein Kostüm gewechselt. Es tritt nicht mehr auf als römischer Feldherr oder als mittelalterlicher König. Es steckt in Schlagzeilen, Algorithmen, Kommentarspalten. In Familiengruppen auf WhatsApp. In Sitzungen, in denen nicht mehr zugehört wird, sondern Positionen durchgesetzt werden. In Klassenzimmern, in denen Schüler nicht mehr miteinander lernen, sondern sich gegenseitig bewerten. In Freundschaften, die an Meinungsunterschieden über Impfung, Klima oder Politik zersplittern.

Die Mechanik ist simpel und zugleich erschreckend effizient: Schaffe Misstrauen, und der Mensch sucht Halt in der Abgrenzung. Lass ihn glauben, er müsse sich entscheiden – für oder gegen, richtig oder falsch, meine Gruppe oder deine. Und schon beginnt der Einzelne, sich selbst zu zerteilen. Die innere Welt spiegelt die äußere: Zerrissenheit statt Verbindung. Misstrauen statt Neugier. Rechthaben statt Verstehen.

Aber warum funktioniert dieses Prinzip so gut, obwohl wir uns doch alle nach Gemeinschaft sehnen? Weil es menschlich ist, sich selbst zu schützen. Wer verletzt wurde, zieht sich zurück. Wer Angst hat, sucht nach Sicherheit. Und wer das Gefühl hat, übersehen zu werden, der wird laut – manchmal auch gegen andere. Es ist ein Reflex, kein Versagen. Ein evolutionäres Erbe, das uns hilft zu überleben. Doch genau darin liegt die Gefahr: Wenn wir dauerhaft in diesem Modus leben, stumpfen wir ab. Wir verlieren das Gefühl für das große Ganze. Für das, was uns verbindet.

In der modernen Gesellschaft sind es längst nicht mehr nur Herrscher, die teilen, um zu herrschen. Es sind Systeme, die Spaltung belohnen. Medien, die Streit sichtbarer machen als Versöhnung. Netzwerke, die Empörung verstärken und Komplexität scheuen. Und es sind auch unsere eigenen Gedanken, die sich in kleine, abgeschlossene Überzeugungen zurückziehen, sobald etwas zu anstrengend wird. Wir urteilen schneller, hören kürzer zu, filtern Informationen danach, ob sie zu unserem Weltbild passen. Wir vergessen, dass Wirklichkeit nicht immer schwarz oder weiß ist – manchmal ist sie auch grau. Oder bunt. Oder einfach anders.

Vielleicht kennst du das Gefühl, wenn man am Abend erschöpft ist vom Tag, vom Denken, vom Diskutieren. Wenn man nicht mehr weiß, wo man steht, weil jede Seite so laut ist. Weil jeder verlangt, man solle Stellung beziehen – sofort, eindeutig, klar. Und während du noch abwägst, wirst du schon verdächtigt, auf der falschen Seite zu stehen. Es bleibt kaum Raum für Zwischentöne. Dabei leben wir genau darin: in der Unsicherheit, im Zweifel, in der Frage, was richtig ist – nicht im fertigen Urteil.

„Teile und herrsche“ funktioniert nur, wenn wir mitspielen. Wenn wir vergessen, dass man auch in Uneinigkeit verbunden sein kann. Dass Empathie nicht bedeutet, allem zuzustimmen, sondern zuzuhören, auch wenn man anderer Meinung ist. Dass Stärke nicht darin liegt, sich abzuschotten, sondern im Mut, sich verletzlich zu zeigen.

Es braucht keine großen Reden, keine Revolution. Manchmal reicht schon ein kleiner Schritt: ein Gespräch, das nicht sofort in eine Debatte kippt. Eine Geste, die zeigt: Ich sehe dich, auch wenn ich dich nicht verstehe. Ein Moment, in dem wir das WIR wieder zulassen, selbst wenn uns trennt, wie wir es buchstabieren.

Am Ende geht es nicht darum, die Welt zu retten – sondern sich selbst nicht zu verlieren in ihr. Wer das erkennt, der merkt vielleicht: Teilen muss nicht immer zu Herrschaft führen. Man kann auch teilen, um zu verbinden. Und darin liegt vielleicht der Anfang von etwas Größerem.

Von Francis Tonleu

Francis Tonleu ist ein vielseitiger Finanzberater, Paralympischer Athlet, Autor und Journalist. Als Finanzberater hilft er seinen Klienten, ihre finanziellen Ziele sicher zu erreichen. Parallel dazu hat er als Spitzensportler im Sitzvolleyball international Erfolge gefeiert, darunter Top-Platzierungen bei den Europameisterschaften und Paralympischen Spielen. Neben seiner beruflichen und sportlichen Karriere ist Francis auch als Autor und Journalist tätig. In seinen Werken verbindet er historische Weisheiten mit aktuellen Herausforderungen und motiviert seine Leser, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Sein beeindruckender Lebensweg inspiriert in vielen Bereichen und zeigt, wie man durch Disziplin und Engagement in verschiedenen Feldern gleichzeitig erfolgreich sein kann. (francistonleu@presse.press)

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