Pompöse Einladungen, glitzernde Kulissen, große Worte: Immer mehr sogenannte „Exklusiv-Events“ locken mit Luxus und Prominenz. Doch wer wirklich hinschaut, erkennt schnell: Dahinter steckt oft nur eine müde Show für den digitalen Schein.
Düsseldorf, Schloss Garath. Es beginnt mit einer Einladung. Goldschrift, bedeutungsschwanger, inszeniert bis ins letzte Komma. Von „Exklusivität“ ist da die Rede, von „Haute Couture“, „Champagner“, „namhaften Designern“ und – natürlich – einer Location, die angeblich einem königlichen Empfang würdig ist. Alles wirkt wie die Eintrittskarte in eine Welt, zu der nur wenige Zutritt haben. Und genau das ist der Trick. Denn es ist nicht die Exklusivität selbst, die zählt, sondern die Illusion davon. Wer diese Einladung annimmt, bekommt kein Ticket zu einem Erlebnis, sondern fällt auf eine Inszenierung herein – ein Spiel mit Status, Stolz und Sehnsucht.
Die Erwartung: ein Abend auf Augenhöhe mit den großen Fashion Weeks. Doch schon beim Eintreffen zerbröckelt die Fassade. Diese Art von Veranstaltungen wuchert wie digitales Unkraut in der urbanen Kulturszene. Sie sind wie Instagram-Filter in Echtzeit – überbelichtet, weichgezeichnet, voller Versprechen, aber ohne Substanz. Auf den ersten Blick ist alles da: rote Teppiche, funkelnde Lichter, Scheinwerfer auf Models, die sich auf improvisierten Laufstegen in Billigstoffen winden und doch versuchen, als wären sie auf der Pariser Fashion Week.
Was sich zunächst wie der Auftakt zu einem luxuriösen Ereignis anfühlt, entpuppt sich schnell als ein schräger Mix aus Billig-Prosecco, LED-Scheinwerfern und Secondhand-Showpieces. Der angebliche Kaviar schmeckt verdächtig nach Fischaufstrich aus dem Supermarkt, der Champagner prickelt wie das, was er ist – günstiger Sekt aus dem Gastro-Großhandel. Was zählt, ist nicht die Herkunft – sondern das Wort. Caviar. Luxus. Exclusiv. Schlüsselreize für alle, die dazugehören wollen, auch wenn es nichts gibt, dem man wirklich angehören kann.
Die „Designermode“? Unbekannte Namen, zusammengesteckte Stoffe, fragwürdige Schnitte. Die Designer – sofern man sie so nennen will – kennt niemand. Vielleicht wollen sie bekannt werden. Vielleicht reicht ihnen das Licht für Instagram. Jedenfalls scheint keiner von ihnen jemals etwas auf einem echten Laufsteg präsentiert zu haben. Ihre Werke schreien nicht nach Stil, sondern nach Aufmerksamkeit.
Und die Models, die sie präsentieren, wirken weniger wie Laufstegprofis als wie Castingshow-Überbleibsel – tätowiert, überfordert und mit jener tragischen Ernsthaftigkeit, die entsteht, wenn man mehr leisten soll, als man kann. Sie hatten weder Catwalk-Erfahrung noch Charisma. Statt Eleganz dominierten Tattoos, mitgenommene Gesichter, steife Bewegungen. Wer hier auf internationale Standards gehofft hatte, sah sich enttäuscht. Vielmehr drängte sich das Bild auf: eine Art optisch „optimiertes“ Escort-Ensemble, das eher für den Smalltalk mit Sponsoren als für Mode gemacht war.
Eintrittspreise? Angeblich über 100 €, in Wirklichkeit: Einladung. Getränke? Überteuert. Viele Gäste waren sparsam, kauften nichts, verließen sich auf Gratisproben.
Doch die eigentliche Farce spielt sich im Publikum ab. Denn zwischen all dem Pseudo-Glanz stehen die Gäste – auf Einladung, versteht sich. Man will ja das Gefühl bewahren, dass man ausgesucht wurde. Viele wirken bemüht – in Pose, Haltung und Kleidung. Dazugehörigkeit ist das zentrale Motiv. Die Kleidung wirkt bemühter als geschmackvoll, die Autos auf dem Parkplatz erzählen die wahre Geschichte: kleine Gebrauchtwagen, die zu glamourösen Auftritten gezwungen werden, während ihr Besitzer im Inneren die letzte Blase Sekt auf Sparflamme genießt.
Und dann kommt der Moment der Erleuchtung – die Technik fällt aus. Die Sängerin, die sich ganz auf Playback verlassen hat, steht stumm da. Kein Ton. Kein Sound. Kein Notfallplan. Denn hinter all dem Licht war nie ein echtes Konzept. Nur Kulisse. Die Szene fällt in sich zusammen wie eine schlecht gespannte Bühnenwand. Man beginnt, hinter den Glitzer zu sehen – auf das, was tatsächlich dort ist: Nichts.
Was diese Events so perfide macht, ist nicht ihre Lächerlichkeit, sondern ihre Strategie. Sie verkaufen ein Gefühl. Den Traum, Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst. Und genau deshalb funktionieren sie. Für ein paar Stunden kann man so tun, als sei man jemand – wichtig, gefragt, dabei. Doch am Ende bleibt man mit der bitteren Erkenntnis zurück, dass man nicht eingeladen war, weil man etwas bedeutet, sondern weil man das Spiel mitspielt. Man ist nicht Gast – man ist Teil der Kulisse.
Diese Veranstaltungen sind nicht nur geschmacklos – sie sind ein Symptom. Ein Zeichen unserer Zeit, in der Schein über Sein regiert und in der sich Status nicht mehr über Leistung, sondern über Bilder definiert. Wer genug Glanz inszeniert, braucht keinen Inhalt mehr. Und wer genug Buzzwords streut – Caviar, Champagne, Couture – dem wird alles geglaubt, bis die Musik ausfällt.
Diese Veranstaltung steht nicht allein. Sie ist Symptom und Beispiel zugleich für eine neue Form des Event-Marketings: auf Schein gebaut, für Selfies gemacht, inhaltsleer, aber optisch opulent. Es geht nicht mehr darum, wirklich etwas zu zeigen, etwas zu präsentieren oder zu feiern. Es geht nur darum, dass es aussieht, als würde etwas passieren. Dass genug Bilder entstehen. Dass der Feed glänzt, auch wenn der Abend nicht glänzt. Das große Versprechen – Glamour, Exklusivität, Klasse – bleibt Fassade. Dahinter sitzt man mit einem Glas in der Hand und fragt sich, wie viel Täuschung eigentlich als Konzept durchgeht.
Und das Schlimmste? Es funktioniert. Denn in einer Welt, in der der Eindruck wichtiger ist als der Inhalt, reichen ein paar dramatische Kleider, der richtige Hashtag und ein billiger Sekt im Vintage-Glas, um Menschen glauben zu lassen, sie seien Teil von etwas Großem. Doch am Ende bleibt: kein Netzwerk, kein Wow-Effekt, keine Inspiration – nur das flaue Gefühl, einem Theaterstück beigewohnt zu haben, in dem niemand wusste, wie der Vorhang jemals hätte fallen dürfen.
Doch irgendwann fällt sie immer aus. Und dann steht man da, im falschen Kleid, mit dem falschen Getränk in der Hand, umgeben von Menschen, die alle nur hoffen, dass niemand merkt, wie sehr sie sich gerade selbst belügen.
Was bleibt, ist ein Abend, der zeigt, wie stark manche in einem Zeitalter von Instagram und Scheinwelten auf Oberflächen setzen. Diese Veranstaltung war kein Modeevent – es war ein Social-Media-Moment, aufwendig drapiert, aber inhaltlich leer.
Man verließ das Schloss nicht inspiriert, sondern desillusioniert. Was zurückbleibt, ist die Erkenntnis:
Wer Luxus behauptet, aber keinen liefert, macht sich lächerlich. Und wer Schein verkauft, darf sich nicht wundern, wenn echte Substanz ihn entlarvt.
