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Es ist eine Kunst, die jeder kennt und doch nur selten bewusst praktiziert. Nämlich ein Gespräch so zu führen, dass es nicht zu einem verbalen Wettkampf, sondern zu einem wahren Austausch wird, der trägt, berührt, manchmal zum Lachen bringt und am Ende beide Seiten ein kleines Stück leichter zurücklässt. Wir alle haben schon Dialoge erlebt, die anstrengend waren, weil einer versuchte, besonders gebildet oder erfolgreich zu wirken, während der andere in denselben Ton einstieg. Was dabei zurück bleibt, ist das Gefühl, sich in einer Art Wettbewerb wiederzufinden, in dem jeder sich darum bemüht, das bessere Argument, die größere Geschichte oder aber  den höheren Status zu haben. Doch die Gespräche, die uns wirklich im Gedächtnis bleiben, sind meist die, in denen jemand es wagt, ein bisschen von der Fassade fallen zu lassen.

Wissenschaftlich betrachtet liegt das nicht nur an der Sympathie, die Humor oder Selbstironie auslöst, sondern auch an dem, was die Psychologie Resonanz nennt. Menschen spiegeln unbewusst das Verhalten des anderen. Wer offen über eigene Schwächen spricht, wer sogar über sich selbst lacht, lädt sein Gegenüber ein, ebenfalls lockerer zu werden. Anstelle von Anspannung entsteht eine Verbindung, die uns daran erinnert, dass wir alle,  unabhängig von Herkunft, Bildung oder gesellschaftlichem Status,  in derselben menschlichen Komödie unterwegs sind.

Man könnte es ein gesünderes Gespräch nennen, denn es nimmt den Druck aus der Kommunikation. Statt verklemmter Wortwahl, die wie ein zu eng sitzender Anzug wirkt, trägt man plötzlich ein bequemes Hemd, in dem man frei atmen kann. Und genau in diesem Moment wird Sprache mehr als bloßes Austauschen von Informationen, sie wird zur Brücke. Sie verbindet Erfahrungen aus unterschiedlichen Welten und Ansichten, etwa wenn einer von seinem chaotischen Alltag in einer deutschen Großstadt erzählt und der andere mit einem Augenzwinkern schildert, wie das in den amerikanischen Vororten noch überboten wird. Ein Vergleich, der ernst und witzig zugleich ist, der zeigt, dass „größer“ nicht immer „besser“ bedeutet, sondern manchmal nur absurder.

Gespräche dieser Art haben etwas Zeitloses und zugleich etwas Befreiendes. Sie erinnern daran, dass wir in unserer Sehnsucht nach Anerkennung oft vergessen, wie wohltuend Authentizität ist. Anstatt zu versuchen, ein Bild zu inszenieren, das makellos wirkt, gewinnt man viel mehr, wenn man ein Stück Unvollkommenheit sichtbar macht. Denn darin steckt die eigentliche Stärke, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen.

Und vielleicht ist es genau dieser Punkt, der ein Gespräch unvergesslich macht. Nicht der glänzende Vortrag über berufliche Erfolge oder die Aufzählung exotischer Reisen, sondern die beiläufige, halb scherzhaft erzählte Geschichte, die so menschlich ist, dass sie beide Seiten schmunzeln lässt. Wer einmal erlebt hat, wie sehr solche kleinen Momente eine Verbindung schaffen, weiß, dass Worte, die mit einem Augenzwinkern und ein wenig Leichtigkeit gesagt werden, mehr Nähe stiften können als die schwersten Argumente.

So wird ein Gespräch zu etwas, das weit über Worte hinausgeht. Es ist ein gemeinsames Atmen, ein gegenseitiges Erkennen, ein stilles Einverständnis, dass wir alle ein bisschen stolpern, ein bisschen lachen, ein bisschen ernst sind. Und genau das macht uns nahbar, liebenswert und im besten Sinn menschlich.

Von Kamuran Cakir

Aus einem anderen Blickwinkel