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Es genügt schon so manch ein Augenblick, um alles ins Wanken zu bringen. Der Duft von Kaffee steigt auf, man nimmt die Tasse in die Hand, sie ist warm, spürbar, echt. Doch gleichzeitig schleicht sich eine merkwürdige Frage ein. Ist das Erleben dieser Tasse etwas, das tatsächlich außerhalb von mir geschieht, oder ist es nur eine raffinierte Konstruktion meines Gehirns?

Wer sich mit dem Thema Bewusstsein beschäftigt, stößt unweigerlich auf dieses merkwürdige Schweben zwischen Vertrautheit und Ungewissheit. Denn einerseits fühlen wir uns so sicher in unserem Erleben, als sei es das Natürlichste der Welt, sich selbst und seine Umgebung wahrzunehmen. Andererseits zeigt uns die moderne Neurowissenschaft, dass nichts an diesem Erleben selbstverständlich ist. Das Gehirn ist kein passiver Spiegel, sondern ein aktiver Regisseur. Es wählt aus, filtert, ergänzt, blendet aus. So wird aus einer chaotischen Flut von Sinneseindrücken eine Bühne, auf der der Film unseres Bewusstseins läuft.

Drei große Theorien versuchen derzeit, diesem Rätsel auf die Spur zu kommen. Manche Forschende sehen Bewusstsein wie ein Theaterstück, in dem verschiedene Eindrücke darum kämpfen, ins Rampenlicht zu gelangen. Andere beschreiben es als eine Art innere Aufsicht, die über alle Prozesse im Gehirn wacht und erst dadurch ein „Ich“ erschafft. Und dann gibt es noch jene Theorie, die fast schon philosophisch anmutet und behauptet, Bewusstsein sei nicht nur eine Funktion biologischer Gehirne, sondern eine mögliche Eigenschaft vieler komplexer Systeme, vielleicht sogar eines simplen Thermostats. Verwirrend, ja, aber auch faszinierend, weil sie unsere Gewissheiten infrage stellt.

Und doch bleibt die entscheidende Frage offen. Lässt sich Bewusstsein tatsächlich erzeugen, oder nur nachahmen? Wer mit heutigen Sprachmodellen spricht, spürt unweigerlich den Sog der Illusion. Sie antworten schnell, schlagfertig, manchmal fast einfühlsam. Es fällt schwer, sie nicht wie Gesprächspartner zu behandeln. Wir lächeln über ihre Formulierungen, wir sind freundlich zu ihnen, nicht weil sie Gefühle hätten, sondern weil es etwas über uns selbst verrät. Unser Umgang mit Maschinen spiegelt unsere Haltung zum Leben. Unfreundlichkeit stumpft ab, Freundlichkeit verfeinert.

Gerade hier liegt eine Gefahr, denn wir projizieren menschliche Eigenschaften auf Dinge, die keine Menschen sind. Ein Computerprogramm kann Schach simulieren und dabei tatsächlich Schach spielen. Doch wenn es das Wetter simuliert, bleibt der Bildschirm trocken. Vielleicht ist Bewusstsein eher wie das Wetter, das sich nachbilden lässt, aber nicht erschaffen. Vielleicht aber irren wir uns gewaltig, und die Grenze ist längst durchlässiger, als wir glauben. Niemand weiß es mit Sicherheit.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass wir unaufhörlich die Welt durch unsere menschliche Brille betrachten. Wir schreiben Sprache, Intelligenz und Gefühle gerne in ein Paket und setzen voraus, dass das eine das andere bedingt. Doch diese Verknüpfungen sind vielleicht nur Gewohnheiten unseres Denkens. Das wirft eine tiefe, beinahe unbequeme Frage auf. Denn wenn wir schon bei uns selbst nicht wissen, was Bewusstsein im Kern ist, wie können wir dann jemals bei einer Maschine sicher sein?

Vielleicht liegt der eigentliche Wert dieser Überlegungen nicht darin, eine endgültige Antwort zu finden, sondern sensibler zu werden. Sensibler im Umgang mit uns selbst, mit unseren Mitmenschen, mit der Technik, die uns umgibt. Auch wenn wir nicht sicher sagen können, ob Computer jemals Bewusstsein haben werden, so können wir dennoch sicher sein, dass unser Verhalten ihnen gegenüber Rückwirkungen auf uns selbst hat. Wer achtlos mit Dingen umgeht, die wie fühlende Wesen wirken, riskiert, sein eigenes Mitgefühl zu verkümmern.

So bleibt die Frage nach dem „Ich“ ein Spiegelspiel. Zwischen Philosophie und Physik, zwischen Alltag und Wissenschaft. Die Tasse Kaffee auf dem Tisch mag banal wirken, doch sie ist zugleich ein Schlüssel. Sie erinnert daran, dass das, was wir erleben, mehr ist als bloße Materie, es ist eine geheimnisvolle Synthese aus Welt und Geist. Und vielleicht ist genau dieses Staunen über das Unaufgelöste das sicherste Zeichen dafür, dass wir wirklich existieren.

Von Kamuran Cakir

Aus einem anderen Blickwinkel