Wer kennt sie nicht, diese eigenartigen Momente, in denen etwas in der Luft zu liegen scheint, eine Art unsichtbare Verbindung zwischen dem, was wir denken, und dem, was geschieht. Man denkt an einen alten Freund, und im selben Augenblick taucht seine Nachricht auf dem Bildschirm auf. Man summt ein Lied, das man seit Jahren nicht gehört hat, und zwei Minuten später läuft es im Radio. Der Verstand will das als Zufall abtun, doch das Herz weigert sich still zu bleiben. Denn irgendetwas daran fühlt sich zu stimmig, zu verwoben an, fast so, als würde das Universum kurz mit uns flüstern.
Diese eigenartigen Übereinstimmungen nennt man Synchronizität, ein Begriff, der einst von Carl Gustav Jung geprägt wurde und bis heute jene magischen Schnittpunkte beschreibt, an denen äußere Ereignisse mit unserem inneren Erleben zu interagieren scheinen. Die Wissenschaft versucht, das Rätsel zu entwirren, und kommt dabei nicht ohne Ironie aus, denn je tiefer man gräbt, desto deutlicher wird, dass gerade unser Versuch, alles zu erklären, Teil des Phänomens selbst ist.
Schließlich liegt die Synchronizität genau dort, wo Logik an ihre Grenzen stößt. Sie ist kein messbarer Vorgang, keine wiederholbare Versuchsanordnung. Und doch berichten Millionen Menschen von ihr. Manche Forscher nennen es Mustererkennung des Gehirns, also unser angeborener Drang, Sinn zu finden, selbst im Rauschen des Zufalls. Das Gehirn, sagen Neurowissenschaftler, liebt Zusammenhänge. Es sortiert alles gerne nach Bedeutung, nicht nach Statistik. Und so wird aus einer zufälligen Koinzidenz ein bedeutsames Erlebnis, ein Moment, der sich anfühlt, als hätte das Leben kurz die Kulisse verrückt.
Doch ist das wirklich nur Psychologie? Studien der letzten Jahre deuten darauf hin, dass Synchronizität eng mit der Aktivität bestimmter Hirnregionen verknüpft ist, die auch bei Intuition, Erinnerung und Emotion beteiligt sind. Wenn Menschen von „sinnvollen Zufällen“ berichten, zeigen sich erhöhte Verbindungen zwischen dem präfrontalen Cortex, der rational denkt, und dem limbischen System, das emotional fühlt. Mit anderen Worten heißt das, dass der Verstand ein Muster erkennt, das Herz  diesem eine Bedeutung verleiht und beide gemeinsam glauben, etwas Besonderes erlebt zu haben.
Aber vielleicht ist das nicht nur Einbildung. Denn Synchronizität wirkt, unabhängig davon, ob sie real oder bloß empfunden ist. Sie verändert Entscheidungen. Sie schenkt Trost. Sie kann Menschen in Bewegung setzen, in der Liebe wie im Beruf, in kleinen Momenten, ebenso wie in lebensverändernden. Wer jemals das Gefühl hatte, „etwas solle genau so passieren“, kennt dieses seltsame Vertrauen, das in solchen Augenblicken entsteht.
Nehmen wir ein Beispiel, bei dem jemand mit einer Entscheidung hardert, vielleicht bei einem beruflichen Neubeginn. Wochenlang zaudert er. Dann, an einem beliebigen Dienstag, fällt ihm ein alter Brief in die Hände, den er längst vergessen glaubte, geschrieben von genau dem Menschen, der ihn einst zu diesem Weg ermutigt hatte. Es fühlt sich an, als hätte das Schicksal sanft genickt. In Wahrheit war es nur ein windiger Papierstapel im Regal. Was aber zählt, ist das, was dieser Moment bedeutet. Synchronizität ist vielleicht weniger ein Ereignis, als vielmehr ein Spiegel unserer inneren Bereitschaft, Bedeutung zu erkennen.
Und genau hier wird sie interessant, da Synchronizität letztlich uns zeigt, wie eng Wahrnehmung und Glaube miteinander verwoben sind. Sie offenbart, dass unsere Wirklichkeit nicht bloß aus Fakten besteht, sondern aus Geschichten, die wir uns über sie erzählen. Wer an Sinn glaubt, wird ihn häufiger finden. Wer offen durchs Leben geht, bemerkt mehr dieser stillen Berührungen zwischen Innen und Außen. Psychologen vermuten, dass Menschen mit einer hohen „Achtsamkeitsneigung“ häufiger von Synchronizität berichten, nicht, weil ihnen mehr passiert, sondern weil sie mehr sehen.
Vielleicht ist das also die wahre Lehre dieser rätselhaften Phänomene, dass nicht alles, was sich sinnvoll anfühlt,  erklärbar sein muss. Und dann wiederum, dass nicht alles, was erklärbar ist, sich sinnvoll anfühlen muss. Synchronizität ist die Brücke zwischen diesen beiden Monopolen, und eine poetische Erinnerung daran, dass das Leben manchmal nicht analysiert, sondern erlebt werden will.
Ob nun das Universum dabei mitmischt oder nur unser Gehirn, am Ende spielt es kaum eine Rolle. Denn das, was uns berührt, verändert uns, und das allein verleiht solchen Momenten Gewicht. So ist Synchronizität eben nichts weiter als die Kunst des Lebens, uns im richtigen Augenblick daran zu erinnern, dass wir verbunden sind, verbunden mit anderen, verbunden mit der Welt und verbunden mit uns selbst. Und dass selbst der Zufall manchmal einen feinen Sinn für Timing hat.
 
                    


