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Menschen gibt es, die passen nicht in die vertrauten Schubladen von introvertiert und extrovertiert. Es sind jene, die nicht die stille Kammer suchen, um aufzutanken, aber auch nicht die große Bühne, um aufzublühen. Sie stehen einfach irgendwo dazwischen, nur eben nicht genau mittig, sondern an einem Ort, den man bislang schlichtweg übersehen hat. In den letzten Jahren hat die Forschung jedoch auch diesem Menschentyp einen Namen gegeben, einen, der aus dem Spanischen stammt und „der Andere“ bedeutet. Das trifft es wahrlich gut, denn genau so fühlen sich viele von ihnen, irgendwie anders, ohne dafür eine klare Kategorie gehabt zu haben.

Wenn man das Verhalten im Alltag betrachtet, fallen sie auf eine stille Weise auf. Bei einer Betriebsfeier verschwinden sie nicht nach fünf Minuten, weil es ihnen zu laut wird, aber sie wandern auch nicht plaudernd von Tisch zu Tisch. Sie suchen das Gespräch mit einer einzelnen Person am Rand, oft tief, intensiv, mit einer Nähe, die andere erst nach Jahren erreichen. Mannschaftssport begeistert sie selten, weil er das individuelle Erleben einem Kollektiv unterordnet. Auch Rituale, die viele Menschen als Gemeinschaftserlebnis verstehen, wie die Weihnachtsfeier im Büro, die Abschlussrede im Verein, das traditionelle Familienfoto und vieles mehr empfinden sie nicht automatisch als verbindend. Für sie steckt darin häufig eher der Druck zur Anpassung und zugleich der Verlust der eigenen Linie. Sie können lachen, tanzen, diskutieren, aber nur solange sie das Gefühl behalten, sich selbst nicht dabei zu verlieren.

Im Unterschied zu den klassischen Introvertierten fehlt ihnen nicht die Energie im Gespräch. Ganz im Gegenteil  können sie stundenlang mit jemandem reden, ohne dass es sie erschöpft, solange sie dabei aufrichtig bleiben dürfen. Während Introvertierte nach solch einem Abend in die Ruhe zurückkehren müssen, gehen diese Menschen allerdings erfüllt nach Hause. Die Begegnung war für sie letztlich kein Kraftakt, sondern eine Quelle. Entscheidend ist, dass das Gespräch frei von den unausgesprochenen Erwartungen des Gruppendenkens bleibt. Das ist ihre eigentliche Schwäche und zugleich ihre größte Stärke, denn sie können mit anderen sein, aber nicht um den Preis, in der Masse aufzugehen.

In der Forschung nennt man dieses Unbehagen mit dem Kollektiv mittlerweile das „Bluetooth-Phänomen“. So wie sich das Smartphone automatisch mit jedem Gerät koppelt, erwartet unsere Kultur, dass Menschen sich selbstverständlich mit dem Ganzen verbinden. Doch nicht jeder will oder kann diese automatische Verbindung zulassen. Manche fühlen sich dann wie Außenseiter, manchmal sogar wie Fremde im eigenen Freundeskreis. Besonders in der Jugend, wenn Zugehörigkeit als Währung für Selbstwert gilt, kann das zu schmerzhaften Erfahrungen führen. Wer sich nicht einklinkt, läuft Gefahr, ausgegrenzt zu werden. Dabei ist es oft kein Trotz, sondern das tiefe Bedürfnis nach innerer Unabhängigkeit.

Historische Persönlichkeiten liefern Beispiele dafür, dass Anderssein auch ein Motor für Kreativität und Erkenntnis sein kann. Menschen, die sich nicht in vorgegebene Bahnen fügen wollten, haben Welten eröffnet, die es ohne ihre Unabhängigkeit nie gegeben hätte. Ihr Blick von außen, ihr ständiges Hinterfragen, ihr Widerstand gegen das Selbstverständliche machte sie unbequem, aber auch außergewöhnlich.

Für den Einzelnen ist das Leben als „Anderer“ nicht immer leicht. Denn in unserer Gesellschaft wird die Gemeinschaft gefeiert und wer sich dem nicht fügt, gilt viel zu schnell wegen der Eigenständigkeit als sperrig. Doch genau hier liegt ein Wert, den man nicht unterschätzen sollte. Wer nicht ständig nach Bestätigung sucht, kann eigene Maßstäbe entwickeln. Wer nicht in das automatische Gruppenschema passt, hat die Chance, Gedanken zuzulassen, die anderen verborgen bleiben. Diejenigen, die sich nicht über die Gruppe definieren, finden oft ihre Erfüllung im Eigenen, nicht in der Abgrenzung, sondern in der Freiheit, unabhängig zu bleiben.

Vielleicht braucht es daher nicht mehr Schubladen, sondern ein besseres Verständnis dafür, dass Persönlichkeit kein starrer Bauplan ist. Manche Menschen stehen einfach am Rand, nicht, weil sie dort nicht mitspielen dürfen, sondern weil sie dort am klarsten sehen können, was in der Mitte geschieht. Und vielleicht ist gerade dieses Sehen ihre eigentliche Stärke.

Von Francis Tonleu

Francis Tonleu ist ein vielseitiger Finanzberater, Paralympischer Athlet, Autor und Journalist. Als Finanzberater hilft er seinen Klienten, ihre finanziellen Ziele sicher zu erreichen. Parallel dazu hat er als Spitzensportler im Sitzvolleyball international Erfolge gefeiert, darunter Top-Platzierungen bei den Europameisterschaften und Paralympischen Spielen. Neben seiner beruflichen und sportlichen Karriere ist Francis auch als Autor und Journalist tätig. In seinen Werken verbindet er historische Weisheiten mit aktuellen Herausforderungen und motiviert seine Leser, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Sein beeindruckender Lebensweg inspiriert in vielen Bereichen und zeigt, wie man durch Disziplin und Engagement in verschiedenen Feldern gleichzeitig erfolgreich sein kann. (francistonleu@presse.press)