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Es beginnt oft unscheinbar. Ein Spaziergang im Park, die Sonne spiegelt sich auf den Blättern, doch der Hund bleibt plötzlich stehen. Sein Kopf hebt sich, die Ohren zucken, die Nase arbeitet. Während wir noch meinen, alles im Griff zu haben, hat er längst wahrgenommen, dass sich in uns etwas verändert. Nicht der laute Aufschrei, nicht der Blick auf die Uhr verrät ihn, es ist der unsichtbare Duft unserer inneren Unruhe, den er auffängt wie eine Nachricht im Wind.

Hunde bewegen sich in einem Umfeld, in dem Gerüche die Geschichten erzählen. Für sie sind wir keine stummen Begleiter, sondern wandelnde Landschaften aus Düften, die Freude, Müdigkeit, Gelassenheit oder Angst tragen. Und so, wie wir die Schlagzeilen einer Zeitung überfliegen, überfliegt ein Hund mit seiner Nase unsere Stimmung. Dass er dabei auch noch die feinste Nuancen von Angst oder Stress erkennt, ist keine Überraschung mehr, sondern inzwischen wissenschaftlich belegt. Doch wie er darauf reagiert, das bleibt einzigartig wie jede Hundepersönlichkeit.

Denn in Augenblicken, in denen wir glauben, allein mit unseren Gefühlen zu sein, weiß ein Hund längst, was in uns vorgeht. Noch bevor wir selbst merken, dass uns die Kehle eng wird, dass das Herz schneller schlägt, hebt er die Nase, schärft den Blick und spannt den Körper leicht an. Für ihn sind unsere unausgesprochenen Stimmungen kein Rätsel, sondern Teil der Luft, die wir atmen.

Die Wissenschaft hat in den letzten Jahren Stück für Stück entschlüsselt, dass Hunde weit mehr wahrnehmen als Gestik, Mimik oder Tonfall. Sie nehmen unsere chemischen Signale auf, diese winzigen Veränderungen in Schweiß und Atem, die entstehen, wenn Angst oder Stress sich im Körper melden. Was für uns unsichtbar ist, ist für sie ein offenes Buch. Sie unterscheiden Gerüche von Gelassenheit und Anspannung, von Freude und Unsicherheit, und reagieren so, wie es ihrem Charakter entspricht.

Manche Hunde suchen in solchen Momenten unsere Nähe, legen den Kopf auf unser Bein, als wollten sie ein Polster gegen die innere Unruhe bieten. Andere werden wachsamer, prüfen ihre Umgebung, als hätten sie beschlossen, die Bedrohung selbst in den Griff zu nehmen. Wieder andere ziehen sich ein Stück zurück, weil sie Distanz für das Passendste halten. So unterschiedlich die Reaktionen ausfallen, so klar ist die Botschaft. Was wir fühlen, bleibt nicht bei uns. Es zieht Kreise und erreicht die, die an unserer Seite leben.

Diese Erkenntnis verändert auch den Blick auf unseren Alltag mit Hunden. Wenn wir in Eile sind, wenn Ärger oder Angst sich aufbauen, dann wirkt das wie eine unsichtbare Wolke, die unser Tier sofort wahrnimmt. Die lockere Leine wird straffer, der entspannte Spaziergang kippt in Nervosität. Wir können lernen, achtsamer zu sein, nicht nur für uns selbst, sondern auch für das Lebewesen neben uns, das in jeder Sekunde mitschwingt. Ein tiefer Atemzug, ein paar ruhige Schritte, ein kurzer Stopp zum Schnüffeln ist nicht nur für uns, sondern auch für den Hund eine kleine Rettung.

Besonders spannend ist, dass diese Fähigkeit nicht nur im Alltag spürbar wird. Erste Trainingsansätze zeigen, dass Hunde sogar in der Lage sein könnten, Menschen mit schweren Belastungen rechtzeitig zu warnen, noch bevor Panik oder Angstattacken sichtbar werden. Damit bekäme ihr feines Gespür eine ganz neue Bedeutung als aktive Helfer.

Doch auch ohne Spezialausbildung bleibt der Kern derselbe, dass letztlich  Hunde uns ernstnehmen, so wie wir sind, nicht so wie wir tun. Sie lesen die unsichtbaren Spuren, die unser Inneres nach außen gibt, und antworten darauf auf ihre Weise. Die Art der Kommunikation  erinnert uns  doch zugleich daran, dass Nähe nicht im Reden, sondern im Wahrnehmen beginnt, und dass schließlich ein Hund manchmal mehr über uns weiß, als wir selbst wahrhaben wollen.

Von Kamuran Cakir

Aus einem anderen Blickwinkel