Es gibt im Leben diese Momente, in denen wir genau wissen, was uns schadet und es trotzdem immer wieder tun. Wir tun es nicht, weil wir dumm sind oder weil wir es insgeheim wollen, sondern weil in uns irgendwo zwischen Wissen und Handeln eine Brücke fehlt. Es ist so, als würden wir auf einer Seite stehen und das rettende Ufer liegt vor uns, aber wir scheinen immer wieder im Kreis zu laufen.
Vielleicht ist es das Glas Wein am Abend, obwohl wir uns schon am Morgen gesagt haben: „Heute nicht!“ Vielleicht ist es die hitzige Antwort in einer Diskussion, von der wir wissen, dass sie das Fass nur überlaufen lässt. Oder es ist der Klick auf „Jetzt kaufen“, obwohl der Kontostand längst mit verschränkten Armen vor uns steht. Es sind eben diese kleinen und großen Wiederholungen, bei denen wir uns selbst beim Scheitern zuschauen, dabei halb belustigend und zugleich halb verzweifelt.
Die Wissenschaft hat dafür inzwischen ein schärferes Auge entwickelt. Neuere Untersuchungen zeigen, dass es Menschen gibt, die sich im Alltag wie in einem simplen Entscheidungsspiel verhalten: Manche erkennen schnell, welche Wahl ihnen schadet, und sie können schnell den Kurs ändern. Andere brauchen einen kleinen Stups und schon schlagen sie den besseren Weg ein. Doch dann gibt es jene, die selbst nach klarer Erklärung stur auf der alten Route bleiben, als würden sie sagen: „Danke für die Info, aber ich bleibe lieber beim Alten.“
Das Faszinierende daran ist, dass es oft nicht daran liegt, dass sie die Konsequenzen nicht verstehen oder nicht genug Motivation hätten. Vielmehr scheint es so, als würde ein unsichtbarer Knoten im Kopf verhindern, dass neues Wissen in eine veränderte Strategie übersetzt wird. Die Hand weiß, was zu tun wäre, aber sie drückt trotzdem den falschen Knopf, und das immer wieder.
Und ja, tatsächlich haben wir alle ein bisschen von dieser Zwanghaftigkeit in uns. Denken wir an Beziehungen, in denen wir die Warnzeichen längst kennen, aber trotzdem bleiben. Oder an Essgewohnheiten, von denen wir wissen, dass sie uns träge machen, und trotzdem greifen wir zum dritten Stück Kuchen. Schließlich denken wir doch nur einmal an Arbeitsroutinen, die uns auslaugen, die aber „irgendwie dazugehört haben“ und deshalb weiterlaufen. Das Muster ist vertraut, und dabei beinahe auch schon beruhigend.
Die Forschung deutet an, dass solche Verhaltensmuster erstaunlich stabil sein können, fast schon wie eine kleine Charakterprägung. Das heißt nicht, dass sie unveränderlich sind, aber dass ein bloßes „Du musst nur…“ selten bereits vollkommen ausreicht. Vielleicht brauchen manche Menschen andere Wege, andere Anstöße, manchmal sogar eine Art Neuprogrammierung des Denkens. Und vielleicht ist genau das der Punkt, an dem wir uns selbst fragen müssen: Auf welche Weise bringe ich mich eigentlich immer wieder in dieselbe Falle, welche Art von Hilfe würde mich wirklich herausziehen?
Es mag ernüchternd klingen, aber darin liegt auch ein Trost: Wenn wir erkennen, dass Beharrlichkeit in Fehlern nicht immer Dummheit ist, sondern oft eine tief verankerte Eigenart, können wir uns selbst und anderen mit mehr Verständnis begegnen. Denn dann hören wiir auf, nur mit erhobenem Zeigefinger zu reagieren, und beginnen, nach Brücken zu suchen, die wirklich tragfähig sind.
Am Ende ist es vielleicht genau diese Mischung aus Selbstreflexion, Geduld und der Bereitschaft, neue Werkzeuge auszuprobieren, die uns aus dem Kreis herausführt. Nicht, indem wir uns dafür schämen, immer wieder den falschen Knopf gedrückt zu haben, sondern indem wir lernen, ihn irgendwann gar nicht mehr zu sehen.
