In unserer digitalisierten Welt haben Bildschirmmedien einen festen Platz im Alltag unserer Kinder und Jugendlichen eingenommen. Sie öffnen Türen zu neuen Lern- und Entdeckungswelten, bergen jedoch auch Risiken.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und ihre Partnerorganisationen haben am 15.07.2023 eine aktuelle Leitlinie zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs veröffentlicht, die ein Leitfaden für Eltern, Erziehungsberechtigte und Pädagogen sein soll, um die junge Generation gesund und sicher im digitalen Zeitalter zu begleiten.

Doch wie realistisch und umsetzbar sind diese Empfehlungen für Familien im Alltag? Wie können wir als Eltern, Pädagogen, und Gesellschaft sicherstellen, dass unsere Kinder und Jugendlichen einen gesunden und ausgewogenen Umgang mit Medien pflegen?

Die benannte Leitlinie gibt eine Vielzahl von Empfehlungen, von der Begrenzung der Bildschirmzeit über den kritischen Umgang mit Inhalten bis hin zur Etablierung von medienfreien Zeiten. Ein zentrales Anliegen ist dabei, dass Eltern und andere Bezugspersonen informiert und unterstützt werden, damit Kinder leitliniengemäß, altersabhängig ausreichend körperliche Freizeitaktivitäten ausüben können. Ebenso sollen medienfreie Zeiträume geschaffen werden, in denen die Familie gemeinsame Aktivitäten unternimmt. Einen besonderen Fokus setzt die Leitlinie insbesondere darauf, dass Kinder während des Essens keine Bildschirmmedien nutzen und bei der Nutzung von Bildschirmmedien nicht essen.

Hier geben wir Ihnen einen konkreten Einblick auf die wichtigsten Empfehlungen aus der Leitlinie:

Für Kinder und Jugendliche gilt im Allgemeinen: Je weniger Bildschirmzeit, desto besser. Eltern sollen informiert und unterstützt werden,…

* Kinder unter 3 Jahren von jeglicher passiven und aktiven Nutzung von Bildschirmmedien fernzuhalten.

* falls sie ihre Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren an die Nutzung von Bildschirmmedien heranführen möchten, dies höchstens 30 Minuten an einzelnen Tagen zu gestatten, und nicht ohne Anwesenheit der Eltern.

* Kindern im Alter von 6 bis 9 Jahren die freizeitliche Nutzung von Bildschirmmedien höchstens 30 bis 45 Minuten an einzelnen Tagen zu gestatten.

* Kindern unter 9 Jahren keine eigene Spielkonsole zugänglich zu machen.

* Bildschirmmedien nicht zur Belohnung, Bestrafung oder Beruhigung einzusetzen.

* während des Essens, insbesondere der gemeinsamen Mahlzeiten, keine Bildschirmmedien zu nutzen und bei der Nutzung von Bildschirmmedien nicht zu essen.

* sich für die digitalen Aktivitäten ihrer Kinder zu interessieren und diese kritisch zu begleiten.

* die Gefahr einer problematischen Nutzung von Onlinemedien zu beachten (einschließlich evtl. Suchtentwicklung), die Bildschirmnutzung Heranwachsender regelmäßig, gegebenenfalls gemeinsam, zu reflektieren sowie im Zweifel anerkannte Tests zu nutzen und im Bedarfsfall professionelle Hilfe zu suchen. Eltern und Geschwister sollen informiert und unterstützt werden,

* sich ihrer eigenen Vorbildfunktion für die aktive und passive Bildschirmnutzung bewusst zu sein.

* in Gegenwart von jüngeren Familienmitgliedern auf die Nutzung von Bildschirmmedien zu verzichten. Eltern und Lehrer*innen sollen informiert und unterstützt werden, auf digitalen Fernunterricht wann immer möglich zu verzichten. (Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. DGKJ. SK2-Leitlinie: Leitlinie zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in der Kindheit und Jugend. 1. Auflage 2022. AWMF Register Nr. 027-075. Verfügbar: register.awmf.org/de/leitlinien/detail/027-075, Zugriff am 15.07.2023)

Diese Leitlinien mögen stringent erscheinen, und tatsächlich mag ihre Umsetzung im familiären Alltag Herausforderungen mit sich bringen. Insbesondere in Haushalten mit Kindern unterschiedlichen Alters kann das Setzen von klaren Grenzen komplex werden. Jede Familie wird unterschiedliche Herangehensweisen und Lösungen finden müssen, wobei der offene Dialog zwischen Eltern und Kindern unabdingbar ist.

Viele Eltern sorgen sich, inwieweit sie diese Leitlinien umsetzen können, ohne ihre Kinder von der digitalen Welt und den damit verbundenen Möglichkeiten auszuschließen. Es gilt, gemeinsam Wege zu finden, um Kinder vor den Risiken der Bildschirmmedien zu schützen und gleichzeitig ihre Medienkompetenz zu fördern. Der Schlüssel hierzu liegt in der kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Medienkonsum und dem der Kinder, in klaren, altersgerechten Regelungen, und in der bewussten Wahrnehmung der eigenen Vorbildfunktion.

Allerdings erleben viele Familien den Spagat zwischen den Leitlinien und der Realität als herausfordernd. Der Alltag ist oft von Hektik geprägt und bietet wenig Raum für Reflektion und Dialog. Hier ist auch die Gesellschaft gefragt, Unterstützung und Lösungsansätze zu bieten. Staatliche Maßnahmen, präventive Programme und Bildungseinrichtungen können hierbei eine entscheidende Rolle spielen, um Familien bei der Umsetzung der Leitlinien zu unterstützen. Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung, um unsere Kinder und Jugendlichen vor den potenziellen Gefahren der digitalen Welt zu schützen und ihnen gleichzeitig die Möglichkeiten der Digitalisierung zu erschließen.

Um die Herausforderungen individuell zu meistern, ist es wichtig, dass wir uns klare und realistische Ziele setzen, die sich an den Empfehlungen der Leitlinie orientieren. Dabei sollten wir uns auf die Schaffung eines ausgewogenen und gesunden digitalen Umfelds konzentrieren und medienfreie Zeiträume fördern, um die Qualität der Familienzeit zu erhöhen. Darüber hinaus müssen wir die digitalen Aktivitäten unserer Kinder kritisch begleiten und uns für ihre Interessen interessieren, um einen offenen Dialog über ihren Medienkonsum zu fördern.

Schließlich wird jede Familie ihren individuellen Weg finden müssen, die Ziele für einen reduzierten Medienkonsum in ihren Alltag zu integrieren. Dabei ist es wichtig, ein Bewusstsein für die Relevanz des Themas zu schaffen, und Lösungen zu finden, die den gesunden Umgang mit Medien fördern, ohne die Kinder von der digitalen Welt auszuschließen.
Wir müssen auch beachten, dass die Pandemie die Art und Weise, wie wir Bildschirmmedien nutzen, drastisch verändert und vorübergehende Sonderregelungen notwendig gemacht hat. Daher sollten wir nunmehr auch nach Möglichkeiten suchen, Aktivitäten in der Natur und im sozialen Nahraum zu fördern, um die Nutzung von Bildschirmmedien auf das vorpandemische Niveau zu reduzieren.

Abschließend können wir also festhalten, dass die Leitlinie zwar eine wichtige Grundlage bietet, um Kinder und Jugendliche im Umgang mit digitalen Medien zu schützen und zu stärken. Die Umsetzung erfordert jedoch Engagement, Reflexion und einen offenen Dialog zwischen Kindern, Eltern, Lehrern und der Gesellschaft insgesamt. Durch die gemeinsame Arbeit an diesen Zielen können wir dazu beitragen, eine gesunde und ausgewogene digitale Umgebung für die kommende Generation zu schaffen.

Wie sehen Sie die Umsetzbarkeit dieser Empfehlungen in Ihrem Alltag und welche Unterstützung bräuchten Sie, um diese effektiver umzusetzen?

Von Kamuran Cakir

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