Kindererziehung ist für viele Menschen eine der größten und erfüllendsten Aufgaben ihres Lebens. Sie bietet die Möglichkeit, junge Menschen zu formen, ihre Talente zu fördern und sie auf die Herausforderungen des Lebens vorzubereiten. Doch während es unzählige Ratgeber, Kurse und Seminare zum Thema Kindererziehung gibt, gibt es nur selten Ratgeber über eine der schwierigsten Aspekte dieses Unterfangens: die Einhaltung der eigenen Regeln.
Natürlich sind die ersten schlaflosen Jahre und die gewaltige Verantwortung, die mit der Elternschaft einhergeht, immense Herausforderungen. Diese sind offensichtlich und werden entsprechend oft thematisiert. Die konsequente Einhaltung der eigenen Regeln hingegen wird weniger diskutiert, obwohl sie mindestens genauso herausfordernd ist.
Warum tun wir uns oft schwer, uns an die eigenen Regeln zu halten? Vielleicht, weil diese Regeln oft impulsiv und ohne tiefere Überlegung festgelegt werden. Oder weil wir uns selbst nach einem anstrengenden Tag eine kleine Ausnahme gönnen möchten. Doch solche Ausnahmen können, wenn sie zur Regel werden, zu Verwirrung und Frustration bei den Kindern führen.
Nehmen wir als Beispiel die Regel, dass Handys oder Tablets nur am Wochenende benutzt werden dürfen. Doch dann kommt ein stressiger Tag, und um ein wenig Ruhe zu haben, erlauben Sie Ihrem Kind, sein Tablet auch an einem Mittwoch zu benutzen, während Sie selbst auf Ihrem Smartphone durch die sozialen Medien scrollen. Oder Sie legen fest, dass die Familie gemeinsame Mahlzeiten ohne elektronische Geräte verbringt, aber nach einem langen Arbeitstag ertappen Sie sich dabei, Nachrichten zu checken, während Sie am Esstisch sitzen. Kinder sind erstaunlich aufmerksam und registrieren solche Abweichungen von den eigenen Vorgaben. Dies kann dazu führen, dass sie die Regeln in Frage stellen und das Vertrauen in die Konsequenz ihrer Eltern verlieren.
Denn Kinder bemerken mit ihrem scharfen Auge für Details und ihrem natürlichen Sinn für Gerechtigkeit diese Inkonsistenzen sehr schnell. Und während es menschlich ist, gelegentlich von den eigenen Standards abzuweichen, ist es wichtig zu erkennen, dass Kinder nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten lernen.
Wir alle können uns eingestehen, dass die Einhaltung der eigenen Regeln nicht immer einfach ist. Oftmals sind es äußere Umstände, Müdigkeit oder Stress, die uns dazu verleiten, Ausnahmen zu machen. Doch in solchen Momenten ist es hilfreich, sich an das größere Bild zu erinnern: Es geht nicht nur um die Einhaltung einer bestimmten Regel, sondern darum, Werte und Prinzipien zu vermitteln.
Es ist verständlich und menschlich, gelegentlich Fehler zu machen. Aber der Schlüssel liegt darin, diese Momente als Lernmöglichkeiten zu nutzen – sowohl für sich selbst als auch für das Kind. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, sich zu entschuldigen und eine bessere Wahl für das nächste Mal zu treffen.
Letztlich ist es wichtig, als Eltern authentisch zu sein und das vorzuleben, was wir von unseren Kindern erwarten. Das bedeutet nicht, dass wir fehlerfrei sein müssen, denn Fehler sind menschlich. Aber es bedeutet, dass wir uns der Bedeutung unserer Vorbildfunktion bewusst sein sollten.
Kindererziehung ist nicht nur das Vermitteln von Werten und Regeln. Es ist auch eine ständige Selbstreflexion, eine Überprüfung des eigenen Verhaltens und gegebenenfalls eine Anpassung der eigenen Handlungsweisen. So können wir sicherstellen, dass unsere Kinder nicht nur die Regeln lernen, sondern auch die Werte, die dahinterstehen. Die Reise der Erziehung ist voller Höhen und Tiefen, aber sie bietet auch unzählige Chancen für Wachstum und Reflexion. Indem wir uns bemühen, konsequent und authentisch zu sein, können wir unseren Kindern eine solide Grundlage für ihr eigenes Leben bieten. Und vielleicht lernen wir auf diesem Weg auch etwas über uns selbst und unsere Werte.