In einer Welt, in der die Notwendigkeit, für das tägliche Brot zu arbeiten, für viele nicht mehr die treibende Kraft ist, entsteht eine faszinierende Frage: Was treibt uns an, weiterzumachen, Ziele zu setzen und zu verfolgen, selbst wenn wir finanziell unabhängig sind? Diese scheinbar unendliche Jagd nach dem nächsten Ziel, die tief in der menschlichen Natur verwurzelt zu sein scheint, wirft ein Schlaglicht auf die Komplexität menschlicher Motivation und Bestrebungen.

Die Antwort auf dieses Rätsel liegt zum Teil in unserem evolutionären Erbe. Die Menschheit hat sich in einer Umgebung entwickelt, in der Stillstand oft Gefahr bedeutete. Unsere Vorfahren, die ständig bestrebt waren, ihre Situation zu verbessern, hatten eine höhere Überlebens- und Reproduktionschance. Diese unaufhörliche Suche nach Verbesserung ist in unseren Genen verankert und beeinflusst auch heute noch unser Verhalten.

Aber es geht nicht nur um biologische Programmierung. Die moderne Gesellschaft hat ihre eigenen Anforderungen und Belohnungen. Kulturelle Normen und soziale Strukturen fördern den Gedanken, dass Erfolg und Leistung wesentliche Bestandteile eines erfüllten Lebens sind. In vielen Kulturen wird das ständige Streben nach beruflichem und persönlichem Wachstum als Tugend angesehen. Dies führt zu einem inneren Druck, der uns antreibt, selbst wenn äußere Notwendigkeiten wie finanzielle Sicherheit nicht mehr vorhanden sind.

Dann gibt es das Ego, unseren inneren Regisseur, der unermüdlich danach strebt, unser Selbstbild zu formen und zu verbessern. Das Ego treibt uns an, Ziele zu erreichen, die unseren Status, unser Selbstwertgefühl und unser Selbstverständnis verbessern. In einer Welt, die von sozialen Medien und dem ständigen Vergleich mit anderen geprägt ist, wird das Ego oft zum Motor unseres Handelns.

Interessanterweise spielt auch die Psychologie der Zielerreichung eine Rolle. Das Erreichen eines Ziels löst in unserem Gehirn eine Flut von Neurotransmittern aus, insbesondere Dopamin, das Gefühle des Glücks und der Zufriedenheit hervorruft. Dieser ‚Belohnungseffekt‘ kann süchtig machen, was erklärt, warum viele Menschen nach dem Erreichen eines Ziels schnell ein neues suchen.

Jedoch ist nicht alles nur Jagd und Eroberung. Das Streben nach Zielen kann auch eine tiefere Bedeutung haben. Maslows Hierarchie der Bedürfnisse deutet darauf hin, dass, nachdem grundlegende physische und Sicherheitsbedürfnisse erfüllt sind, Menschen nach höheren Zielen wie sozialer Zugehörigkeit, Anerkennung und letztlich Selbstverwirklichung streben. In diesem Kontext wird das ständige Setzen und Verfolgen von Zielen zu einer Reise der persönlichen Entwicklung und Selbstentdeckung.

Aber es gibt auch eine Kehrseite. Die unerbittliche Zielverfolgung kann zu Erschöpfung und einem Gefühl der Leere führen, besonders wenn die Ziele nicht mit unseren wahren Interessen und Werten übereinstimmen. Es ist daher entscheidend, eine Balance zu finden und sich Ziele zu setzen, die nicht nur Herausforderungen bieten, sondern auch persönliche Erfüllung und Glück.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Frage, warum wir immer weitermachen, auch wenn wir es nicht müssen, tief in der menschlichen Natur verwurzelt ist. Sie umfasst biologische, psychologische, soziale und persönliche Dimensionen. Es ist ein Tanz des Lebens, in dem wir alle Teilnehmer sind, auf der Suche nach Bedeutung, Erfüllung und letztendlich nach uns selbst.

Von Kamuran Cakir

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