Ich schaue mir die einsame Höhle an und sie kommt mir vor wie das Paradies.
Hier draußen ist alles zu bunt, meine Augen brennen, der Gesang der Vögel ist zu laut und die Geräusche der anderen Tiere zu wild und zu durcheinander, es bereitet mir Kopfschmerzen.
Meine Finger jucken und mein Atem geht hektisch.
Zu viel, zu viel, zu viel.
Ich brauche eine Pause.
Jetzt erscheint mir die stille Höhle wie der perfekte Zufluchtsort, obwohl mich alle davor warnen. Wer einmal die Höhle betritt, kommt nie wieder heraus, sagen sie, aber das ist mir gerade recht.
Mein Kopf dröhnt, er ist kurz davor zu explodieren; mein Magen schlägt Saltos.
Ich würge und scheine dadurch noch weniger Luft zu bekommen als ohnehin schon. Ich wiche mit meinem Handrücken über den Mund und knie mich hin.
Ich weiß, ich darf nicht in die Höhle, aber der Gedanke ist zu verführerisch.
Ich habe Angst vor mir und vor dem, was dort geschehen könnte; ich darf nicht in die Höhle wollen, aber ich verliere langsam die Kontrolle über meinen Geist und meinen Körper.
Mein Herz will mir aus der Brust springen und mir wird schwindelig.
Ehe ich mich versehe, bin ich schon losgerannt.
Ich kann meine Beine nicht aufhalten, sie entwickeln ein Eigenleben und plötzlich und unerwartet kommt der Boden meinem Gesicht gefährlich näher.
Ich falle.
Im letzten Moment stemme ich meine Hände dem Boden entgegen und dämpfe den Aufprall. 
Ich schreie auf. Kleine Steinchen haben sich in meine Handflächen gebohrt und ein pulsierender Schmerz macht sich in mir breit.

Diese verdammte Höhle, denke ich und schließe meine Augen. Als ich sie wieder öffne, bin ich bereits aufgestanden und laufe weiter in Richtung Höhle.
Ich will dort nicht hin, die Höhle bereitet mir Angst, ich habe so viel Angst, aber Widerstand ist zwecklos. 
Ich wünschte ich hätte manches anders gemacht. Vielleicht würde ich der Höhle dann nicht näherkommen.
Ich schluchze und Tränen laufen mir über mein verdrecktes Gesicht, aber ich höre nicht auf, zu der einsamen Höhle zu rennen.
Dann bin ich angekommen.
Zuerst verwirrt mich die plötzliche Stille und die kalte, abgestandene Luft, die meine Wunden kühlt. Aber ich weiß, dass ich jetzt genau das brauche.
Je tiefer ich reingehe, desto weniger Licht und somit Orientierung gibt es. Das ist gut so. Ich möchte mich nicht orientieren können, ich möchte Garnichts.
Irgendwann lehne ich mich erschöpft an eine Wand und rutsche sie schwerfällig runter.
Was habe ich nur getan, was habe ich verdammt nochmal getan? Wieso bin ich hier gelandet? Meine Seele ist von Kummer umhüllt, wie eine Fliege gefangen im Spinnennetz. Mein Herz schreit, ich schreie, aber es ist niemand da, um mir zu helfen und um mich zu trösten. Es sind diese eisernen Wände, die versuchen mich zu erdrücken.
Ich weine still vor mich hin und stützte meinen Kopf auf meinen angewinkelten Beinen. Meine Trauer ist groß, sehr groß, das höre ich, denn die Höhle zeigt mir, wie ich mich gerade fühle.
Es sind Stunden vergangen, vielleicht Tage, aber ich sitzte immer noch an derselben Stelle.
Meine Tränen haben nachgelassen und ich stehe auf. Alles tut mir weh, mein Nacken, mein Po und selbst meine Arme. Ich entscheide mich aus der Höhle rauszugehen und taste mich an den Wänden ab. Zuerst vergehen Sekunden, dann Minuten und schließlich Stunden und wenn nicht Tage, doch ich bin hier gefesselt. Ich verfalle in Panik, sinke in die Knie und flehe darum befreit zu werden.

Es kommt niemand. Es hört mich niemand, ich bin allein in einer Höhle, die mir meine Panik vorwirft.
Immer wieder laufe ich los, im Versuch zu entkommen, aber es funktioniert nicht. Ich kauere mich in eine Ecke und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.
Wieso musste mir das passieren? Wieso kann ich nicht raus?
Ich stehe nicht wieder auf, dazu fehlt mir die Kraft und so bleibe ich sitzen. Ich habe keinen Antrieb aufzustehen und denke an meine Geliebten. Sicher vermissen sie mich schon, aber es kann mir niemand raushelfen. Nicht aus dieser dunklen Höhle.
Es vergeht viel Zeit, aber ich bleibe in derselben Ecke, denn meine Hoffnung ist gestorben. Ich will nicht mehr Leben wird mir klar. Ich will das nicht noch länger durchhalten, denn ich habe längst aufgegeben. 
Ich stehe trotz dem Protest meines Körpers auf und suche nach einer Möglichkeit eines schnellen Todes.
Jeder Schritt kostet mich große Anstrengung und ich will nichts mehr spüren. Ich will taub sein, ich will tot sein. So taste ich die Wände und den Boden ab, bis mir die raue Oberfläche der Höhle fast die Hände abgeschliffen hat.
Irgendwann sehe ich einen hellen Fleck auf dem Boden. Eigentlich bin ich zu schwach, um daraufhin zu laufen, aber ich tue es trotzdem.
Dabei bemerke ich erst später, dass mir Tränen über das Gesicht laufen.
Dieser Fleck ist meine Freiheit.
Es ist ein Strahl, der den Punkt verursacht hat und je weiter ich in die Richtung gehe, desto größer wird er.
Das Licht tut mir in den Augen weh, aber zum ersten Mal ist es guter Schmerz. Ich gewöhne mich an die Helligkeit und als ich an der Lichtung ankomme, schluchze ich laut.
Ich wimmere vor lauter Erleichterung und langsam kehrt die Hoffnung zurück. Ich werde diesen Ort verlassen.
Das Gefühl kitzelnder Sonnenstrahlen auf der Haut überwältigt mich und ich bleibe stehen. Noch nie habe ich mich so sehr über das Licht gefreut. Ich bade darin und meine Lebendigkeit kehrt zurück. Ich fange an zu laufen und ich rieche das saftige Gras und die betörenden Düfte der Blumen. Sie schmeicheln meine Nase.
Ich bin draußen.
Endlich.
Es ist wunderschön.
Das Farbspecktakel, das sich mir bietet, raubt mir den Atem. Ich kann mich an den vielen Orchideen, Tulpen und Rosen nicht sattsehen.
Ich presse meine Hände vor den Mund und weine vor lauter Erleichterung, Freude, Bewunderung und Glück.
Ein blauer Schmetterling fliegt an mir vorbei und als ich weiter in seine Richtung blicke, stelle ich eins fest:
Das hier ist mein Paradies.


Der alternative Titel für diese Geschichte lautet „Depressionen“.

Von Esra Toca

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