Kennst du diese Momente, in denen alles um dich herum auf Hochtouren läuft, und du stehst da, mitten im Sturm – und fühlst… nichts? Als wäre der Regen nicht nass, der Sturm nicht laut, die Gefahr nicht real. Und während du gerade dabei bist, einen Schritt weiterzugehen, vielleicht sogar direkt in ein Loch, rufen alle um dich herum: „Halt, stopp! Siehst du das denn nicht?“ Doch was sie sehen, bleibt für dich verborgen. Ein Nebel umhüllt deine Sinne, und das Offensichtliche verschwindet wie durch Magie. Deine Freunde, deine Familie, selbst Fremde auf der Straße, sie schütteln die Köpfe, sie reden auf dich ein – aber du? Du gehst weiter.

Das klingt doch nach einer Szene aus einem Film! Vielleicht ein Thriller, in dem die Hauptfigur in die Katastrophe steuert und die Zuschauer sich die Haare raufen. Aber der Unterschied ist: Es ist gerade dein Leben, um das es hier geht. Und das passiert uns allen. Und zwar nicht nur einmal. Nein, immer wieder. Du und ich – wir alle haben schon diese Momente erlebt, in denen unser Verstand uns einen Streich spielt. Nur warum?

Es gibt viele Erklärungen dafür. Wissenschaftler sprechen von kognitiver Dissonanz, von Verdrängungsmechanismen oder auch von emotionaler Blindheit. Man könnte sich das so erklären: dein Gehirn ist wie ein Sicherheitsbeamter in einem Museum. Es sollte aufpassen, dass keine wertvollen Kunstwerke beschädigt werden. Doch an manchen Tagen – vielleicht ist der Beamte müde, vielleicht war sein Kaffee nicht stark genug – achtet er nicht auf das Bild, das direkt vor ihm hängt. Er sieht nur die bunten Lichter draußen oder die spannende Zeitung auf dem Tisch. Und während er abgelenkt ist, passiert das, was er hätte verhindern sollen. Genauso funktioniert auch unser Gehirn in Stresssituationen. Es fokussiert sich auf etwas anderes, weil die Wahrheit, die direkt vor uns steht, zu schmerzhaft oder zu unangenehm ist.

Aber lass uns mal ehrlich sein: Es ist nicht immer nur Stress oder Angst. Manchmal wollen wir einfach das Risiko nicht sehen. Ein bisschen wie bei einem Lotteriespiel. Du weißt, dass die Chancen, zu gewinnen, lächerlich gering sind – aber da ist dieser kleine Funken Hoffnung, dieses winzige Gefühl von „Was, wenn es doch klappt?“ Also ignorierst du die Statistiken, die Warnungen und die gutgemeinten Ratschläge und setzt alles auf eine Karte.

Denk mal an diese eine Beziehung, die du hattest. Ja, genau die. Die, von der alle gesagt haben: „Bist du sicher, dass das gut für dich ist?“ Aber du hast nur die schönen Momente gesehen. Die langen Spaziergänge, die tiefen Gespräche. Und während sie dir von den ständigen Streitereien erzählt haben, hast du nur die Blumen in der Vase gesehen, die er oder sie dir einmal geschenkt hat. Du hast das Gefühl gewählt – und die Fakten ignoriert.

Oder erinnerst du dich an den Job, den du angenommen hast, obwohl alle in deinem Umfeld den Kopf geschüttelt haben? Du hast die glänzende Fassade gesehen, das Versprechen von Erfolg und Ruhm, aber die Überstunden, die toxische Arbeitskultur – all das war für dich nur ein Flüstern im Hintergrund. Du wolltest es nicht hören.

Es ist faszinierend, nicht wahr? Wie wir manchmal die Realität so verdrehen können, dass sie in unser Bild passt. Aber weißt du, was das Interessante ist? Die Wissenschaft hat uns gezeigt, dass das völlig normal ist. Unser Gehirn ist nicht darauf programmiert, immer rational zu sein. Es will uns schützen – und manchmal schützt es uns eben vor der harten Realität, indem es uns in eine rosarote Wolke einwickelt.

Doch was können wir tun, um diese Wolke zu durchbrechen? Vielleicht ist der erste Schritt, sich selbst zu fragen: „Warum sehe ich das nicht?“ Manchmal reicht es, einen Moment innezuhalten, tief durchzuatmen und die Perspektive zu wechseln. Vielleicht mal in den Spiegel zu schauen und sich selbst ehrlich zu fragen: „Bin ich gerade blind für etwas, das alle anderen sehen?“

Am Ende des Tages sind wir alle nur Menschen, die manchmal stolpern, manchmal fallen. Aber das Schöne daran ist, dass wir immer wieder aufstehen können. Und mit Sicherheit sehen wir beim nächsten Mal die Stolpersteine auch schon ein bisschen früher. Wenn wir sie denn doch nicht sehen, haben wir immer noch die Menschen um uns herum, die uns zurufen: „Pass auf!“ Und wer weiß, vielleicht hören wir dann auch diesmal eher zu.

In diesem Sinne: Halte die Augen offen – nicht nur für das, was du sehen willst, sondern auch für das, was du vielleicht nicht sehen möchtest. Denn manchmal sind es genau die Dinge, vor denen wir die Augen verschließen, die uns am Ende am meisten lehren.

Von Esra Toca

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