Da ist ein Paar. Der eine hat studiert, ist gebildet, der andere hat keine formale Ausbildung, aber er arbeitet hart, ist fleißig und zuverlässig. Sie stehen am Anfang ihrer Beziehung, mitten in den Glücksgefühlen, in dieser süßen, berauschenden Phase der Verliebtheit, wo die Welt so viel bunter wirkt, wo alles so leicht und aufregend ist. Und natürlich, wie das in dieser Phase oft ist, mischt sich eine Art Blindheit unter diese Gefühle – eine Blindheit für mögliche Unterschiede, für das, was vielleicht auf lange Sicht kommen könnte.

Ist das also ein Problem? Man fragt sich, ob das wirklich gut gehen kann. Es gibt darauf keine klare Antwort. Es gibt kein „Ja, es wird großartig“ oder „Nein, das wird scheitern.“ Denn das Leben funktioniert selten in Schwarz und Weiß. Aber wenn man es rein mathematisch oder statistisch betrachtet, könnte man zu einem vorsichtigen „Eher nicht“ neigen.

Warum? Weil Beziehungen dynamisch sind. Während ein Partner die Karriereleiter hinaufklettert, kann der andere an einem Punkt verharren, ohne die gleichen Schritte zu gehen. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass es scheitert, aber die Diskrepanz in der persönlichen und beruflichen Entwicklung kann, ja wird wahrscheinlich, die Beziehung herausfordern.

Doch hier kommt auch noch die spannende Frage: Spielt es eine Rolle, wer von beiden die Karriereleiter erklimmt? Der Mann oder die Frau?

Wenn man auf die gesellschaftliche Entwicklung schaut, müsste man fast sagen: Ja, es spielt eine Rolle. Wahrscheinlich wird es vielen weniger auffallen, wenn der Mann die Karriere nach oben strebt und die Frau zurückbleibt. Die Belastung für die Frau, die das Gleichgewicht zwischen Beziehung und individueller Entwicklung hält, wird oft übersehen. Dabei betrifft diese Ungleichheit in der Entwicklung beide Beziehungspartner gleichermaßen, ob nun der Mann oder die Frau auf der Stelle tritt.


Das eigentliche Problem liegt nämlich viel tiefer: Wenn die Wege der Partner beginnen sich zu sehr voneinander zu entfernen – ob beruflich, intellektuell oder emotional –, dann wird es schwierig. Nicht selten geht das einher mit einem Verlust der gemeinsamen Gesprächsthemen oder der Fähigkeit, sich wirklich auf Augenhöhe auszutauschen. Und das ist kein Vorwurf an diejenigen, die sich trotz fehlendem Schulabschluss weiterbilden, sich selbst entwickeln. Denn solche Menschen gibt es viele, die ohne formale Ausbildung zu beeindruckenden Persönlichkeiten reifen und sich auf ihre Art und Weise so weiter entwickeln, dass keine Unterschiede existieren.

Doch wenn dies nicht gelingt, kann die soziale Ungleichheit, die aus den unterschiedlichen Karrieren entsteht, zu einer Belastung werden.

Es gibt Forschungen, die genau dieses Thema beleuchten. Studien zeigen, dass Paare mit ungleichen Bildungs- und Karrierewegen oft ein höheres Risiko haben, auf langfristige Herausforderungen zu stoßen. Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weist darauf hin, dass Paare mit unterschiedlichen Bildungsniveaus häufiger von Trennungen betroffen sind. Auch konnte in Studien belegt werden, dass es nicht allein der Bildungsunterschied ist, der belastend wirkt, sondern die damit einhergehenden verschiedenen Werte, Lebensziele und Zukunftsvorstellungen. Gerade in einer Phase, in der ein Partner aufsteigt, kann der andere sich schnell als „zurückgelassen“ empfinden – was zu einem Gefühl der Ungleichheit und Frustration führen kann.

Und genau das ist der Punkt: Wenn die Kluft zu groß wird, entsteht die Gefahr, dass beide Partner auf unterschiedlichen Ebenen funktionieren. Der eine mag Karriere machen, der andere vielleicht nicht. Aber das Ungleichgewicht, das dabei entstehen kann, muss aufgefangen werden. Ohne eine bewusste Anstrengung, diese Unterschiede zu überwinden, kann die Beziehung an den unsichtbaren Spannungen zerbrechen, die durch unterschiedliche Lebenswege entstehen. Es sind nicht nur die finanziellen oder beruflichen Unterschiede, die die Probleme verursachen, sondern oft die emotionalen Spannungen, die aus dem Gefühl resultieren, nicht mehr „auf einer Wellenlänge“ zu sein.

Was bringt es also, Karriere zu machen, wenn man die Verbindung zum Partner verliert? Was nützt all das Wissen, wenn es die Liebe nicht mehr erreicht? Denn Liebe ist nicht nur die anfängliche Euphorie, sie ist auch die Bereitschaft, den anderen mitzunehmen, auf ihn zu warten, Kompromisse einzugehen. Es ist die Kunst, gemeinsam zu wachsen – nicht unbedingt in dieselbe Richtung, aber doch so, dass die Verbindung erhalten bleibt.

Und vielleicht liegt genau hier der Schlüssel. Es geht nicht darum, ob einer studiert hat und der andere nicht. Es geht darum, ob beide bereit sind, aufeinander zu achten, die Augen nicht nur auf ihre eigene Entwicklung zu richten, sondern auch auf das, was dazwischen geschieht. Der eine mag Karriere machen, der andere vielleicht nicht. Das ist okay. Was nicht okay ist, ist die Gleichgültigkeit, das Unverständnis, das entstehen kann, wenn man den anderen auf seinem Weg aus den Augen verliert.

Denn in der Liebe geht es weniger um Status oder Titel. Es geht um Wertschätzung, um Respekt. Ein Partner, der sich entwickelt, sollte die Hand des anderen nicht loslassen. Denn am Ende ist es nicht die Karriere, die einen glücklich macht. Es ist die Person an deiner Seite, die mit dir durch Höhen und Tiefen geht, die versteht, dass Glück nicht in einem Lebenslauf zu finden ist, sondern in den kleinen Momenten, die man miteinander teilt.

Und das sollten wir nie vergessen – egal, wie hoch die Karriereleiter uns trägt.

Von Kamuran Cakir

Aus einem anderen Blickwinkel

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