Ein Abschied ist niemals nur ein Abschied. Es ist ein Moment, der uns aus dem Gleichgewicht reißt, nur um uns sanft, aber bestimmt in eine neue Richtung zu schieben. Die Kaffeemaschine in der Büroküche summt wie jeden Morgen, doch plötzlich fehlt das vertraute Lachen, das immer im Hintergrund zu hören war. Ein Kollege hat sich verabschiedet – in den Ruhestand, zu einem neuen Job, vielleicht in ein neues Leben. Zurück bleiben wir, die „Zurückgebliebenen“, wie wir uns selbst manchmal scherzhaft nennen. Aber was macht das eigentlich mit uns? Und mit denen, die gehen?
Der Abschied selbst ist ein paradoxes Ereignis. Für den einen mag er Erleichterung bringen, die Freude auf etwas Neues. Für den anderen bedeutet er Verlust, eine Art kleiner Tod des Alltags, der doch so angenehm vertraut war. Es ist nicht das Ende der Welt, das wissen wir alle – und doch fühlt es sich manchmal genau so an. Psychologen sprechen hier von der sogenannten „Transition“, einem Übergang, der mit gemischten Gefühlen einhergeht.
Auf den ersten Blick scheint derjenige, der geht, der mutigere Part zu sein. Er lässt Vertrautes zurück, wagt sich ins Unbekannte. Doch ist es wirklich so? Der Ruheständler, der sich auf endlose Tage ohne Deadlines freut, entdeckt vielleicht nach kurzer Zeit, dass er die täglichen Gespräche beim Mittagessen vermisst. Die Kollegin, die voller Elan eine neue Stelle antritt, spürt plötzlich, wie schwer es ist, sich in eine neue Gruppe einzugewöhnen. Abschiede sind nie leicht, auch wenn der Abschiedene das oft erst merkt, wenn der Moment tatsächlich da ist.
Für die, die bleiben, beginnt eine andere Art der Veränderung. Der leere Schreibtisch erinnert sie jeden Tag daran, dass nichts ewig bleibt. Und doch liegt darin auch etwas Schönes. Denn die Lücke, die der Abschied hinterlässt, ist nicht nur ein Loch, sondern auch Raum für Neues. Ein neuer Kollege bringt frischen Wind, neue Perspektiven. Manchmal lernt man selbst, aus der Komfortzone herauszutreten, übernimmt vielleicht Aufgaben, die man dem anderen früher überlassen hat.
In einer Studie zur Arbeitsplatzdynamik wurde festgestellt, dass Teams oft stärker aus einer solchen Situation hervorgehen, als sie hineingegangen sind. Es braucht Zeit, keine Frage. Aber die menschliche Fähigkeit, sich anzupassen, ist beeindruckend. Wir sind, wie die Wissenschaftler sagen, „Meister der Resilienz“.
Und doch bleibt die Frage: Für wen ist es leichter, für die, die gehen, oder für die, die bleiben? Die Antwort ist nicht eindeutig. Es kommt auf den Blickwinkel an, auf die persönlichen Umstände. Vielleicht ist es gar keine Frage des leichter oder schwerer, sondern schlicht ein anderer Prozess. Der eine lässt los, der andere hält inne. Beide aber starten neu – der eine in unbekannte Gewässer, der andere auf vertrautem Terrain, das sich langsam wandelt.
Ein Abschied ist also niemals nur ein Abschied. Er ist ein Tanz zwischen Ende und Anfang, ein Spiel der Gefühle, das uns herausfordert, aber auch wachsen lässt. Ob wir uns an die Schulter eines Freundes lehnen, während der Kollege seine Abschiedsrede hält, oder ob wir am nächsten Tag allein am Schreibtisch sitzen und merken, dass der Alltag weitergeht – wir alle tragen etwas mit uns, das uns durch diesen Moment trägt: die Gewissheit, dass jedes Ende zugleich der Anfang von etwas Neuem ist. Und vielleicht, nur vielleicht, ist das genau der Gedanke, der uns lächeln lässt, selbst wenn die Augen ein wenig feucht sind.