Es ist ein stiller Begleiter, den wir oft nur ungern zugeben, ein Gefühl, das uns manchmal aus der Bahn werfen kann: Neid. Doch was passiert, wenn Männer und Frauen auf das jeweils andere Geschlecht blicken? Worum beneiden wir uns gegenseitig – und was sagt das über uns aus? Die Antwort darauf ist eine Reise in die Tiefen unserer Gedanken, unserer Biologie und der gesellschaftlichen Normen, die uns prägen.

Neid hat viele Gesichter. Da ist der Neid, der uns antreibt, uns besser zu machen, und der Neid, der uns lähmt, weil wir uns unzulänglich fühlen. Doch zwischen Männern und Frauen hat der Neid eine ganz besondere Dynamik. Männer schauen auf Frauen und denken: „Wie leicht es ihnen fällt, mit einem Lächeln Türen zu öffnen.“ Frauen blicken auf Männer und denken: „Warum müssen sie sich nie mit den Dingen herumschlagen, die uns belasten?“ Und so stehen wir da, jeder mit seinen Stärken und Schwächen, jeder mit seinen leisen Wünschen, die beim Blick aufs andere Geschlecht aufkommen.

Frauen beneiden Männer oft um Dinge, die auf den ersten Blick nüchtern und rational erscheinen. Sie schauen auf Gehaltszettel, berufliches Ansehen oder körperliche Vorteile und denken sich, wie es wohl wäre, diese Bürden nicht zu haben: Keine Menstruation, keine Geburt, keine Menopause. Manchmal ist es ein wenig wie der Gedanke an einen freien Tag ohne Verpflichtungen – ein flüchtiger Moment der Sehnsucht nach einer Welt, die einfacher scheint, als sie wirklich ist.

Männer hingegen, tja, sie beneiden Frauen um das, was oft als „weibliche Magie“ bezeichnet wird. Schönheit, Charme, die Fähigkeit, allein durch ihre Präsenz Räume zu füllen und Herzen zu berühren. Es ist diese Mischung aus Bewunderung und Neid, die uns alle schon einmal in einem Gespräch hat stocken lassen, wenn wir spüren, wie jemand mit Leichtigkeit das erreicht, wofür wir hart arbeiten mussten. Männer denken an Mutterschaft – nicht, weil sie selbst Kinder bekommen wollen, sondern weil sie die Tiefe dieser Verbindung erahnen, die sich nur schwer in Worte fassen lässt.

Doch Neid geht tiefer, als bloß auf die äußeren Unterschiede zu blicken. Es gibt diesen subtileren Neid, der sich in alltäglichen Situationen zeigt. Männer stehen oft bewundernd vor der Fähigkeit von Frauen, mehrere Dinge gleichzeitig zu jonglieren: die Arbeit, die Familie, die sozialen Verpflichtungen – und dabei noch ein aufrichtiges Lächeln zu bewahren. Frauen wiederum werfen einen Blick auf die oft ruhigere, sachliche Herangehensweise der Männer und wünschen sich, sie könnten manchmal genauso unbeeindruckt durch die Stürme des Lebens navigieren.

Und dann ist da diese neue Art des Neids, der sogenannte „ablative Neid“. Er ist nicht laut, nicht zornig, sondern vielmehr ein stilles Hoffen. Es ist der Wunsch, etwas nicht zu haben: keine monatlichen Beschwerden, keine Angst davor, nachts allein unterwegs zu sein, keine Verpflichtung, sich ständig zu beweisen. Manchmal ist es der Wunsch, einfach einen Tag ohne all das sein zu können, was uns definiert – oder belastet.

Doch was sagt all das über uns aus? Vielleicht, dass der Neid auf das andere Geschlecht uns weniger trennt, als er uns verbindet. Denn am Ende sind es dieselben Fragen, die uns umtreiben: Wie könnten wir unser Leben besser machen? Wie könnten wir ein Stückchen von dem bekommen, was die andere Seite zu haben scheint? Und wie können wir erkennen, dass vieles von dem, was wir beneiden, auch seine Schattenseiten hat?

Neid ist ein Spiegel, in dem wir unsere tiefsten Unsicherheiten und Sehnsüchte sehen. Doch er ist auch eine Chance. Eine Chance, das Leben des anderen Geschlechts besser zu verstehen, ihre Herausforderungen und Privilegien, ihre Stärken und Schwächen. Vielleicht ist der wahre Gewinn nicht, das zu bekommen, was der andere hat, sondern zu erkennen, dass wir alle unsere Kämpfe kämpfen – und dass wir manchmal mehr gemeinsam haben, als wir glauben.

Denn wenn wir ehrlich sind: Der Neid, den wir empfinden, erzählt viel mehr über uns selbst, als über die anderen. Und vielleicht ist es gerade diese Erkenntnis, die uns einander näherbringt, anstatt uns zu trennen.

Von Kamuran Cakir

Aus einem anderen Blickwinkel

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