Nichts währt ewig – ein Satz, den wir alle kennen, der uns aber selten wirklich zum Nachdenken bringt. Und doch ist er eine Wahrheit, die uns alle betrifft. Unsere Existenz selbst ist ein fortwährender Wandel. Von dem Moment, in dem wir das Licht der Welt erblicken, bis zu unserem letzten Atemzug, ist unser Körper ein Meisterwerk der Veränderung. Zellen erneuern sich, Haare wachsen und fallen aus, Falten zeichnen Geschichten in unsere Haut. Es ist ein stilles, manchmal unmerkliches, aber unaufhaltsames Fortschreiten.
Doch nicht nur unser Körper ist von diesem Strom erfasst. Auch unsere Gedanken sind ständig in Bewegung. Als Kinder sprudeln wir vor Neugierde und Tatendrang. Jede Ecke, jeder Stein birgt ein Abenteuer. Doch warum schwindet diese Energie, je älter wir werden? Warum weicht der kindliche Elan einer Vorsicht, einem zögerlichen Abwägen, das uns manchmal lähmt? Es scheint, als würde die Zeit nicht nur Spuren auf unserer Haut hinterlassen, sondern auch auf unserem Geist.
Und trotzdem sehnen wir uns oft nach Beständigkeit, nach etwas, das bleibt. Wir klammern uns an Orte, an Menschen, an Routinen. Doch die Wahrheit ist, dass nichts wirklich unverändert bleibt. Der Ort, an dem wir leben, wandelt sich, ob wir es wollen oder nicht. Häuser werden abgerissen, Straßen neu gebaut, und selbst die Bäume, die uns einst Schatten spendeten, erzählen von der Vergänglichkeit.
Neulich fiel ein alter Baum im Nachbarschaftsgarten. Ein Sturm hatte ihn zu Boden gerissen. Er stand dort, seit ich denken kann, und doch war er jetzt fort. Mit ihm ging eine eigene Geschichte, die niemand mehr erzählen wird. Sein Stamm, rissig und gezeichnet von den Jahren, sprach von Regen und Sonne, von Frost und Hitze. Er hatte Jahrzehnte überdauert, still beobachtend, während die Menschen um ihn herum kamen und gingen. Und jetzt? Ein Haufen Holz, der bald verschwinden wird, als wäre er nie da gewesen.
Doch warum bewegt uns so etwas? Ein Baum ist doch nur ein Baum, könnte man sagen. Aber ist er das wirklich?
Vielleicht liegt die Antwort tief in unserem Inneren, in einem Mechanismus, der uns seit Jahrtausenden begleitet. Wissenschaftler sprechen vom sogenannten „Status-quo-Bias“ – der Neigung, den aktuellen Zustand zu bevorzugen und Veränderungen zu vermeiden. Es ist ein Schutzmechanismus, der uns davor bewahren soll, unüberlegt Risiken einzugehen. Was wir kennen, erscheint sicher, kontrollierbar. Was wir nicht kennen, könnte Gefahr bedeuten. Unsere Vorfahren, die sich in einer unsicheren Welt behaupten mussten, profitierten von dieser Vorsicht. Ein neues Gebiet zu erkunden oder eine unbekannte Frucht zu probieren, konnte tödlich enden.
Doch heute? Unsere Welt hat sich verändert, schneller als unser Verstand es nachvollziehen kann. Risiken sind selten lebensbedrohlich, und doch reagiert unser Gehirn oft, als stünden wir noch vor dem Säbelzahntiger. Eine neue Arbeit, ein Umzug, selbst ein geändertes Rezept – all das kann Unbehagen auslösen.
Manche von uns sind empfänglicher für dieses Gefühl als andere. Forscher vermuten, dass es mit unserer Persönlichkeit, unseren Erfahrungen und sogar unserer Biologie zusammenhängt. Menschen, die von Natur aus neugierig und offen sind, sehen Veränderungen oft als Chance. Andere, die stärker auf Sicherheit bedacht sind, empfinden sie als Bedrohung.
Und so stehen wir manchmal wie Beobachter am Rand, während das Leben sich weiterdreht. Und der Baum, der wie schon erwähnt neulich fiel, ein mächtiger, alter Baum, der Jahrzehnte überdauert hatte? Den der Sturm zu Fall brachte. Obwohl niemand je seine Geschichte hören konnte, erzählte er sie auf seine Weise – in den Ringen seines Stammes, in den Spuren von Wetter und Zeit auf seiner Rinde.
Dieser Baum erinnerte mich daran, dass auch Veränderungen Spuren hinterlassen – sichtbare und unsichtbare. Sie erzählen von Wachstum, von Anpassung, von Widerstand. Sie machen uns zu dem, was wir sind. Und vielleicht liegt genau darin der Schlüssel. Veränderung ist keine Bedrohung, sie ist eine Einladung. Eine Einladung, uns selbst besser zu verstehen, zu wachsen, zu lernen.
Natürlich wird es immer Momente geben, in denen wir zögern, uns zurückziehen wollen. Das ist menschlich. Doch wenn wir uns trauen, einen Schritt nach vorn zu machen, können wir sehen, was hinter der nächsten Kurve auf uns wartet. Manchmal ist es ein Sturm, manchmal ein sonniger Tag – aber immer eine neue Geschichte. Und Geschichten, das wissen wir alle, sind es wert, erzählt zu werden.