Jeder hat eine schwache Stelle und jeder ist an einem bestimmten Punkt verwundbar. Der eine versteckt es gut, der andere lässt es sich schnell anmerken. Dumm nur für den, bei dem es so offensichtlich ist. Und während die einen mit einem Pokerface durchs Leben marschieren, als würden sie aus Stahl bestehen, reicht bei anderen ein falsches Wort, ein schiefer Blick oder einfach nur eine stressige Woche – und schon liegt alles offen. Zerbrechlich. Nahbar. Angreifbar.
Kann man das verbessern? Kann man lernen, seine Schwächen besser zu verstecken? Die einfache Antwort: ja. Die komplexere: Es ist ein Drahtseilakt. Denn irgendwo zwischen „Ich bin stark“ und „Ich darf nichts zeigen“ verläuft eine dünne Linie, auf der man schnell das Gleichgewicht verlieren kann. Klar, viele trainieren sich an, ruhig zu bleiben, die Fassade aufrechtzuerhalten, auch wenn innerlich längst Alarmstufe Rot herrscht. Sie lächeln, nicken, wirken souverän – dabei tobt vielleicht ein Sturm. Und irgendwie bewundert man das. Oder?
Denn wenn andere das so gut hinbekommen, fragt man sich unweigerlich: Was stimmt mit mir nicht? Wieso bin ich so durchschaubar, so leicht zu knacken? Wie ein Buch, das aufgeschlagen auf dem Tisch liegt, für jeden lesbar. Das ist doch gefährlich. Oder zumindest unvorteilhaft. Man fühlt sich wie ein Weichling – und das Wort allein bohrt sich schon wie ein kleiner, aber gemeiner Splitter ins Selbstwertgefühl.
Und so beginnt das große Versteckspiel. Schwäche trainieren – oder besser: das Verbergen davon. Wie ein Schauspieler, der seine Rolle immer besser lernt. Emotionen kontrollieren, Sprache regulieren, sogar die Mimik wird zur Maske. Es gibt sogar Kurse dafür – Körpersprache, mentale Stärke, Resilienztraining. Alles mit dem Ziel, nicht so leicht lesbar zu sein. Bloß keine Angriffsfläche bieten. Bloß nicht auffallen. Aber ganz ehrlich – ist das noch authentisch?
Denn während wir alle versuchen, perfekt zu wirken, geht manchmal genau das verloren, was uns menschlich macht. Unsere Schwächen sind nicht nur Bruchstellen. Sie sind auch Geschichten. Sie sind Erfahrungen, Narben, offene Kapitel. Der eine zittert vor Vorträgen, der andere wird nervös, wenn das Handy klingelt. Jemand kriegt in Stresssituationen rote Flecken im Gesicht, jemand bricht bei bestimmten Sätzen in Tränen aus, obwohl er es gar nicht will. Es ist eben da. Und das ist okay.
Natürlich will niemand die sein, bei der jeder sofort merkt, wenn was nicht stimmt. Niemand möchte der Typ sein, dem die Unsicherheit in der Stimme bebt, während andere locker durchziehen. Aber vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, sich ein Stück weit zu zeigen, wie man ist. Nicht jedem alles – aber manchen genug. Denn wer immer nur cool bleibt, wird irgendwann auch kalt. Und Menschen spüren das. Sie merken, ob jemand echt ist oder bloß glänzt wie eine Plastikblume.
Also ja, man kann das Verstecken trainieren. Aber ob man sollte, ist eine andere Frage. Vielleicht geht’s gar nicht darum, unverwundbar zu sein, sondern darum, mit den eigenen Schwächen umgehen zu lernen, ohne sich selbst zu verlieren. Und mal ehrlich – wer ganz genau hinsieht, merkt auch beim scheinbar Stärksten irgendwann: da gibt’s Risse. Kleine, feine Risse. Denn am Ende sind wir alle irgendwie weich – wir tun nur unterschiedlich hart.
