Und wieder sitzt man da, vor den Unterlagen, dem Herzensprojekt, dem kleinen großen Traum, der sich durchkämpft, zäh, aber voller Hoffnung. Alles ist da: die Idee, die Vision, der lange Atem. Man weiß, der Erfolg ist kein ferner Stern mehr. Er ist greifbar. Fast schon riechbar. Doch genau in dem Moment, wo man sich auf Menschen freut, auf ihr Mitgehen, auf ihr Mitglauben – beginnt das große Schweigen. Oder besser gesagt: das große Ausweichen.
Es sind die Menschen, die einem nah sind. So nah, dass man glaubt, sie müssten doch automatisch mitziehen. Aus Liebe. Aus Loyalität. Aus dem Wissen, wie sehr man kämpft. Aber stattdessen kommen Sätze, die wie freundlich verpackte Absagen wirken. Man habe so viel um die Ohren. Schon wieder ein Termin. Ach, und nächste Woche? Schwierig. Und selbst wenn es stimmte, selbst wenn der Kalender lückenlos vollgetaktet wäre – wäre nicht irgendwo ein Schlupfloch, ein Fünkchen Luft, wenn man wirklich wollen würde?
Und beide wissen es. Zwischen den Worten liegt eine Stille, die lauter ist als jedes Gespräch. Eine unausgesprochene Wahrheit: Man will nicht wirklich. Oder: Man glaubt nicht daran. Vielleicht sogar: Man gönnt es nicht. Oder schlicht: Man versteht es nicht. Denn plötzlich wird aus dem großartigen Projekt einfach nur „deins“. Nicht mehr etwas, das die Welt verändern könnte. Nur noch ein Hobby. Ein Spleen. Eine Spinnerei.
Es ist seltsam, wie nah Menschen einem stehen und wie fern sie dabei zugleich sein können. Vielleicht ist es diese Nähe selbst, die die Dinge verzerrt. Man kennt sich zu gut. Hat zu viele Momente geteilt, in denen man eben nicht der Visionär war, sondern einfach nur der Mensch mit ungewaschenen Haaren, der über zu hohe Stromrechnungen fluchte. Und plötzlich verliert alles, was man nun aufbaut, an Glanz – einfach, weil man es ist, der es tut.
Man fragt sich, ob das fair ist. Ob man wütend sein darf. Oder traurig. Oder beides. Ob man ihnen einen Vorwurf machen darf. Und man weiß keine Antwort, denn irgendwo im Hinterkopf ist da auch der Spiegel, in den man schaut. Bin ich denn so anders? Bin ich wirklich der, der aufspringt, wenn jemand aus meinem Kreis ruft? Oder murmele ich auch manchmal „Ui, schlecht, diese Woche“, während ich nebenbei doch zwei Stunden auf Social Media verbringe?
Und dann wiederum glaubt man an das Gegenteil. Glaubt daran, dass man mehr tun würde. Anders. Mit echter Beteiligung. Nicht wegen der Idee allein, sondern wegen des Menschen dahinter. Weil es nicht nur um das Ziel geht, sondern um den gemeinsamen Weg. Weil man glaubt, dass etwas, das von einem geliebten Menschen kommt, einen besonderen Wert hat – und dass genau dieser Wert es ist, der zum Mitmachen motiviert.
Doch wenn man ehrlich ist, bleibt am Ende ein Fragezeichen stehen. Ein stilles, hartnäckiges. Vielleicht ist es eben nicht so einfach. Vielleicht ist es auch ein Schutzmechanismus. Vielleicht will der andere einfach nicht mitgerissen werden, weil er Angst hat, enttäuscht zu werden. Oder weil das, was man tut, ihn an das erinnert, was er selbst nicht gewagt hat. Vielleicht ist es eben doch komplizierter, als man glaubt.
Was aber bleibt, ist das Gefühl, dass Nähe nicht immer Verbündete schafft. Manchmal schafft sie Beobachter. Oder sogar Kritiker. Und dann geht es nicht mehr um Termine oder Ausreden. Dann geht es um innere Haltung. Um Prioritäten. Und darum, dass man sich manchmal fremder wird, obwohl man sich jeden Tag sieht.
Vielleicht löst sich dieses Rätsel nie ganz. Vielleicht bleibt es ein Puzzle, bei dem immer ein Teil fehlt. Aber eines steht fest: Wer trotz all dem weitergeht, weiterträumt, weiterplant – der beweist nicht nur Ausdauer. Sondern auch die Fähigkeit, an sich zu glauben, wenn niemand sonst es tut. Und das, das ist manchmal mehr wert als jede Unterstützung. Auch wenn sie natürlich trotzdem schön wäre.

„Manche Menschen stehen dir so nah, dass sie den Wert deiner Träume aus der Gewohnheit heraus übersehen – nicht aus Absicht, sondern weil sie vergessen haben, wie besonders du wirklich bist.“ (K.S.C.)