Es gibt im Leben immer wieder einmal diese Momente, in denen wir uns fragen, warum wir in bestimmten Situationen schon wieder auf die gleiche Art und Weise reagieren. „Ja, natürlich mache ich das“, sagen wir, während tief in uns eine Stimme eigentlich darum fleht: „Sag doch nein, ich kann einfach nicht mehr.“ Woher kommt diese Diskrepanz zwischen dem, was wir fühlen, und dem, was wir sagen oder tun? Ein Schlüssel zum Verständnis solcher Verhaltensweisen liegt oft in unserer Kindheit verborgen. Die Art und Weise, wie wir aufgewachsen sind, die Beziehung zu unseren Eltern und die Erfahrungen, die wir in unseren frühen Lebensjahren gemacht haben, prägen unsere Persönlichkeit, unser Verhalten und unsere Reaktionen in tiefgreifender Weise.

Die Prägungen der Kindheit sind nicht nur ein psychologisches Phänomen. Sie sind auch in unserem Gehirn verankert und beeinflussen, wie wir denken, fühlen und handeln. Diese Muster zu erkennen, ist der erste Schritt auf einem Weg, der uns mehr Freiheit im Denken und Handeln ermöglichen kann. Doch warum ist es so schwer, diese tief verwurzelten Muster zu durchbrechen?

Einer der Gründe liegt in unserer menschlichen Natur selbst. Wir sind Gewohnheitstiere. Verhaltensweisen, die wir über Jahre hinweg praktiziert haben, werden zu automatischen Reaktionen, die schwer zu ändern sind. Hinzu kommt, dass diese Muster in der Kindheit oft mit starken emotionalen Erfahrungen verknüpft sind. Diese Emotionen können Angst, Liebe, Ablehnung oder der Wunsch nach Anerkennung sein. Sie verleihen den Mustern eine zusätzliche Kraft und machen sie zu einem festen Bestandteil unseres Selbst.

Doch die gute Nachricht ist, dass eine Veränderung durchaus noch möglich ist. Und der Prozess für diese Veränderung beginnt mit der Bewusstwerdung. Wenn wir uns der Herkunft unserer automatischen Reaktionen bewusst werden, können wir beginnen, sie zu hinterfragen. Warum sage ich immer ja, auch wenn ich nein sagen möchte? Welche Angst oder welches Bedürfnis steckt dahinter? Oft ist es die Angst vor Ablehnung oder der Wunsch, geliebt und anerkannt zu werden. Bereits diese erste Erkenntnis allein kann schon befreiend wirken.

Der nächste Schritt ist sodann die Auseinandersetzung mit diesen Gefühlen. Es geht darum, dass man sich seinen Ängsten stellt und erkennt, dass die Ablehnung, die man fürchtet, nicht das Ende der Welt ist. Es geht auch darum, zu erkennen, dass wir für unsere eigene Liebe und Anerkennung nicht von der Zustimmung anderer abhängig sein müssen. Diese Erkenntnis kann wahrlich ein langer Prozess sein, der Geduld und vielleicht auch professionelle Unterstützung erfordert.

Die Arbeit an diesen Mustern ist letztlich nicht nur eine Frage der Selbstentwicklung. Sie betrifft auch unsere Beziehungen zu anderen. Das Muster des ständigen Ja-Sagens, obwohl wir uns überfordert fühlen, kann zu Resentiments führen, die unsere Beziehungen belasten. Indem wir lernen, unsere Grenzen zu setzen und für unsere Bedürfnisse einzustehen, stärken wir nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Beziehungen zu anderen.

Der Weg zur Selbsterkenntnis und Veränderung ist tatsächlich nicht immer einfach. Es erfordert Mut, sich den Spiegeln der Vergangenheit zu stellen und die Verantwortung für die Gestaltung unserer Zukunft zu übernehmen. Doch dieser Weg bietet auch eine Chance auf ein freieres, authentischeres und erfüllteres Leben. Ein Leben, in dem wir nicht mehr aus Gewohnheit ja sagen, sondern aus echter Überzeugung und in Übereinstimmung mit unseren wahren Bedürfnissen und Wünschen.

Von Kamuran Cakir

Aus einem anderen Blickwinkel

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