Die Beziehung zwischen Geschwistern ist wie ein Garten, dessen Gedeihen stark davon abhängt, wie er gepflegt wird. Eltern sind dabei die Gärtner, die mit ihren Entscheidungen und ihrem Umgang die Bedingungen für das Wachstum schaffen. In manchen Familien wachsen Geschwister Hand in Hand auf, stützen einander und werden beste Freunde. In anderen bleibt eine Lücke zwischen ihnen – wie ein unsichtbarer Zaun, der sie trennt. Die Frage, warum das so ist, führt oft zu einem zentralen Punkt: dem Erziehungsstil.

Manchmal erkennt man erst Jahre später, wie sehr die elterlichen Entscheidungen die Dynamik zwischen Geschwistern geprägt haben. Ein Vater, der ständig Vergleiche zieht, weil er hofft, den einen zum Fleiß und den anderen zu mehr Mut zu erziehen, bemerkt vielleicht gar nicht, dass er damit Rivalität schürt. Oder eine Mutter, die aus Angst, ein Kind zu benachteiligen, akribisch darauf achtet, dass jedes Bonbon genau gleich groß ist, übersieht, dass Geschwisterliebe nicht von Millimetergerechtigkeit lebt.

Geschwister sind selten gleich. Sie haben unterschiedliche Stärken, Schwächen, Vorlieben und Wege, die Welt zu sehen. Was sie aber eint, ist der Wunsch, von ihren Eltern akzeptiert und geliebt zu werden – genau so, wie sie sind. Wenn ein Kind das Gefühl hat, dass seine Individualität respektiert wird, fällt es ihm leichter, dieselbe Akzeptanz seinem Bruder oder seiner Schwester entgegenzubringen. Wird hingegen ständig betont, was der eine besser oder schlechter macht, entsteht leicht ein Konkurrenzdenken. Es ist, als würde man zwei Pflanzen zwingen, auf dem gleichen Quadratmeter um Licht und Wasser zu kämpfen.

Die moderne Forschung zeigt, dass Geschwisterbeziehungen in hohem Maße von den frühen Erfahrungen geprägt werden. Wenn Kinder gemeinsam Herausforderungen meistern, wie zum Beispiel das ungeliebte Aufräumen des Zimmers oder das Planen eines Geburtstagsgeschenks für Oma, wird ihr Band gestärkt. Sie lernen, als Team zu agieren, auch wenn sie sich zwischendurch zanken. Konflikte gehören dazu, aber entscheidend ist, wie Eltern darauf reagieren. Werden sie zu Schiedsrichtern, die Gewinner und Verlierer benennen, bleibt oft ein bitterer Beigeschmack. Vermitteln sie hingegen, wie man sich entschuldigt und Lösungen findet, schaffen sie eine Basis für ein Leben voller produktiver Streitkultur.

Manchmal ist es auch die scheinbare Neutralität der Eltern, die Spannungen hervorruft. „Ihr müsst das unter euch klären“, hört man oft, wenn Geschwister sich streiten. Doch genau das ist für Kinder schwierig, vor allem, wenn sie noch jung sind. Ohne Orientierungshilfe wird der Konflikt oft nicht gelöst, sondern vertagt – oder schlimmer noch, aufgestaut. Eltern, die sich die Zeit nehmen, Kindern zu zeigen, wie man Streit mit Worten statt mit Geschrei löst, geben ihnen Werkzeuge fürs Leben – und für eine bessere Beziehung zueinander.

Eine oft übersehene Rolle spielt auch der Humor in Familien. Gemeinsames Lachen ist wie Klebstoff für das Band zwischen Geschwistern. Ob es die schrulligen Eigenheiten von Tante Karin sind, über die alle herzlich lachen, oder die Panne beim gemeinsamen Kuchenbacken – solche Momente schaffen Erinnerungen, die verbinden. Eltern, die solche Augenblicke fördern, machen mehr, als nur eine heitere Atmosphäre zu schaffen. Sie geben ihren Kindern etwas, das sie auch in schwierigen Zeiten zusammenhält.

Natürlich gibt es keine Patentlösung. Jede Familie ist einzigartig, und Geschwisterbeziehungen sind so individuell wie die Menschen selbst. Doch es gibt ein paar einfache Prinzipien, die helfen können. Verständnis statt Vergleich, Teamwork statt Wettbewerb, Orientierung statt Neutralität und gemeinsame Freude statt strenger Regelkonformität – das sind die Zutaten, die das unsichtbare Band zwischen Geschwistern stärken können.

Am Ende ist es die Kunst, Raum für Individualität zu lassen, ohne die Gemeinschaft aus den Augen zu verlieren. Eltern sind nicht dafür verantwortlich, dass Geschwister immer perfekt harmonieren. Aber sie können den Boden bereiten, auf dem Liebe, Respekt und Zusammenhalt wachsen können. Und manchmal, wenn alles richtig läuft, wird aus diesem unsichtbaren Band ein unzerbrechliches.

Von Kamuran Cakir

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